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Zum Tanzen gebracht

■ Holbrooke und die inneren Widersprüche von Dayton

Richard Holbrooke jagt wieder einmal mit warnenden Finger durch die exjugoslawischen Hauptstädte. Wenn der Westen jedoch seine Politik der letzten Wochen in Bosnien fortsetzt, dann wäre der Chefvermittler des Dayton-Abkommens besser gleich zu Hause geblieben. Ohnehin ist er nur noch das, was die Amerikaner eine lahme Ente nennen – am 1. März wechselt er als Banker an die Wall Street.

Holbrooke sieht sich jetzt bei seinen Gesprächen mit den inneren Widersprüchen des Bosnien-Abkommens konfrontiert. Mit der Festnahme bosnischer Serben, die im Verdacht stehen, für Kriegsverbrechen verantwortlich zu sein, hat die Regierung in Sarajevo diese Widersprüche zum Tanzen gebracht. In Dayton wurden wichtige Prinzipien vereinbart, die von den fünf politischen Garantiemächten als große Errungenschaften verkündet wurden, darunter die völlige Bewegungsfreiheit von Zivilisten in ganz Bosnien, die freiwillige Rückkehr der Flüchtlinge an künftige Heimatorte ihrer Wahl und eben die Aufklärung und Ahndung von Kriegsverbrechen. Aber die Durchsetzung dieser Prinzipien wurde im Abkommen entweder überhaupt nicht geregelt oder nur zum Schein. Eine bislang nur rudimentär existierende UNO-Polizei wurde mit der Durchsetzung beauftragt oder – mit zumeist unklaren Formulierungen – die Ifor. Diese verweigert aber nach wie vor die Übernahme „ziviler“ Aufgaben und läßt selbst den mit internationalem Haftbefehl gesuchten Serbenführer Karadžić unbehindert ihre Kontrollstellen passieren.

In dieser Situation ist die Festnahme und anhaltende Inhaftierung der Serben durch bosnische Regierungsbehörden nicht „illegal und willkürlich“ (Milošević). Sie steht in vollem Einklang mit dem Dayton-Vertrag, den Statuten des Internationalen Tribunals und dem nationalen Strafrecht Bosniens. Ob die Maßnahme „gefährliche Folgen für den Friedensprozeß“ haben wird, wie Milošević gestern meinte, liegt in erster Linie an den Garantiemächten. Wenn diese weiterhin mit der verbrecherischen Führungsclique in Pale (Mladić, Karadžić, Krajisnik) zusammenarbeiten, anstatt dafür zu sorgen, daß sie endlich aus dem Verkehr gezogen wird, wenn sich der Westen von Milošević und Karadžić politisch erpressen läßt, wie jüngst bei der Verlängerung der Präsenz serbischer Polizisten in fünf Stadtteilen Sarajevos, dann hat mit der Festnahme der bosnischen Serben möglicherweise tatsächlich das Ende des Friedensprozesses begonnen. Andreas Zumach, Genf

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