piwik no script img

Die Hülle, der Raum

■ Auf Kampnagel wurde Architektur als Kunst-Mantel präsentiert

Leere Räume müssen nicht die Abwesenheit von Kunst bedeuten: In der Ausstellung „CHOROS-Raumdefinition“ ist erst einmal nichts zu sehen. Eben das ist die arbeitsintensive Intervention des 35jährigen Athanasios Pallas. Der in Thessaloniki geborene Künstler arbeitet an der Umsetzung antiker Theorie in strenge plastische Konzepte. Hier hat er eine Etage des ehemaligen Kampnagel-Bürogebäudes neu proportioniert – und zugleich die Ausstellungsräume von KX bleibend neu gestaltet. Die übernommene Raumfolge war schon verändert durch den neuen Eingang mit der Freitreppe. Jetzt sind die meisten toten Nischen entfernt worden, der Hauptraum wurde durch Versetzen einer Wand symmetrisch, die interne Treppe zu einem durchlaufenden Postament verbreitert und eine in Renaissance-Tradition perspektivisch verstärkte Enfilade durch drei Zimmer erstellt. Aus zufälligen Räumen ist ein definierter Ort geworden, das Labyrinth wurde zum Tempel. Das ist nicht ganz frei von einer neukonservativen Tendenz zurück zum schönen „White Cube“: Muß hier demnächst mit ganz anderer Kunst gerechnet werden als bisher? Seit 1987 hat die KX-Gruppe in wechselnder Besetzung erfolgreich Ausstellungen organisiert – inzwischen ist sie ein behördlich geförderter Verein. Doch die Kunst soll weiterhin jung bleiben, und unbestritten sind die Räume so besser als früher. Das jetzige Ambiente ermöglicht es dem Betrachter, sich als ein Punkt im Raum mit Selbstbeobachtung zu vergnügen. Und das ist eine verlorengegangene Funktion von Architektur. So ist das titelgebende Wort „Choros“ doppeldeutig: Es bezeichnet sowohl den Ort, an dem sich Menschen zu Gesang und Tanz treffen, wie die Bewegung der Versammelten. Den Takt zum strengen Schreittanz gibt dazu die Videoarbeit „mitos“ per Fingerschnipsen. Die Kunst von Athanasios Pallas ist sehr kopflastig, was er ausdrücklich betont: „Die ganze bekannte Kunst besteht nur aus Nebenprodukten von Gedankensystemen, die die Künstler entwickelt haben.“ Pallas zitiert zwar gerne die Antike, aber schätzt mehr noch deren Anwendung im Bauhaus und mag Mondrian und Malevic. Der mentale Raum ist ihm die wichtigste Architektur. Wenn es gelingt, die Wahrnehmung als persönliche Skulptur des Betrachters mit nach Hause zu nehmen, ist viel erreicht. Wer nur einen schönen, neuen Ausstellungsraum sieht, durchschwirrt von vielen möglichen Ideen, liegt aber auch nicht falsch.

Hajo Schiff

KX, Kunst auf Kampnagel, Do – Sa 16 – 20 Uhr, bis 2. März

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen