: Ein total abgegrastes Thema Von Klaudia Brunst
Karola tut echt was für die Bewegung. Sie arbeitet nämlich in einer TV-Casting-Agentur, „weil man da immer mal ein Lesbenthema unterbringen kann“. Sie hat mich auch schon dreimal vermittelt: Zu „Wie sag' ich's meiner Mutter?“, „Danke, ich schaff's allein. Geschlechterrollen in Frauenbeziehungen“ und „Bi ist bäh!“ Neulich rief mich Karola wieder mal an. Das Frauenmagazin Für uns selbst suche dringend Interviewpartnerinnen zum Thema „Homo-Ehe“, ob mir da eine dezidierte Position einfiele? Meinen Einwand, das sei doch total abgegrast, konterte sie mit der Information: „Es gibt aber ein hübsches Honorar.“ Ein Argument, das mich sofort überzeugte.
Zwei Stunden später rief die zuständige Redakteurin von Für uns selbst selbst an. Sie habe da noch ein paar kleine Fragen: Wann ich denn meine Freundin kennengelernt hätte? Wer in unserer Beziehung eigentlich der Mann sei und wie meine Eltern auf meine Veranlagung reagiert hätten? Brav beantwortete ich ihren Fragenkatalog, dachte dabei an das hübsche Honorar und bestätigte, daß jetzt „alles soweit geklärt“ sei. Etwas später meldete sich der Aufnahmeleiter. Wegen der Inserts. Es gäbe da noch ein paar Unklarheiten: Wann ich eigentlich meine Freundin kennengelernt hätte? Und ob wir hinter eine spanische Wand müßten? „Oder wissen Ihre Eltern ...?“ In den Nachmittagsstunden hatte ich dann noch die Moderatorin am Telefon: „Und wann haben Sie ihre Freundin kennengelernt?“
Am Abend wußten endlich alle Bescheid. Nur meine Freundin nicht. „Homo-Ehe?!“ fragte sie irritiert nach, „da sind wir doch gegen, oder?!“ – „Klar“, pflichtete ich ihr bei, „aber es gibt ein hübsches Honorar, und im übrigen hat bisher noch niemand von uns verlangt, für die Ehe zu sein. Wir müssen nur sagen, wie wir uns kennengelernt haben.“ – „Dafür zahlen die uns Geld?“ war meine Freundin nun doch sehr erstaunt. „Und warum sind wir eigentlich gegen die Homo-Ehe?“
„Aber das weißt du doch“, gab ich zurück, „Wir sagen, daß das eine politische Frage ist, daß wir grundsätzlich gegen die Privilegien der Institution Ehe kämpfen und uns deshalb niemals mit dem Establishment gemein machen würden.“ – „Genau“, pflichtete mir meine Freundin bei. „Die Ehe ist eine total gefährliche Institution. Wenn man sich erst einmal das Jawort gegeben hat, dann ist das doch so, als habe man die Beute im Sack. Dann muß man sich irgendwie keine Mühe mehr geben, sitzt in Jogginghose vor dem Fernseher, frißt frustriert Chips in sich hinein, und vorbei ist's mit der Leidenschaft.“
Etwas irritiert schaute ich erst auf unseren Fernseher, dann auf meine Jogginghose. „Du würdest mich also gar nicht heiraten, selbst wenn es ginge?“ war ich nun doch äußerst beunruhigt. „Aber natürlich! Auf gar keinen Fall!“ rief meine Freundin und holte zu einer derart endgültigen Geste aus, daß die Chipstüte in hohem Bogen vom Beistelltischchen fiel. „Da sind wir uns doch einig, oder?“
Ich verbarg meine Tränen, indem ich gebeugten Hauptes das Knabberzeug vom Teppich aufklaubte, da klingelte das Telefon: Karola. Es habe sich da noch etwas am Thema geändert. Die Redaktion wolle nun doch lieber „Lesben und Kinder“. Ob wir dazu eine dezidierte Position hätten ...
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