: Die Alten sollen teilen
■ Einigung zur Frührente – Kompromiß mit Chancen
Fast alle feiern den Kompromiß. Die neue Einigung zur Frührente gilt als Beweis dafür, daß es doch was bringt, wenn sich Arbeitgeber, Gewerkschaften und Regierung zusammensetzen. Sie nützen doch was, die Kanzlerrunden! Nebenbei bemerkt, wurde die Opposition damit geschickt kaltgestellt. Denn wenn schon in einer außerparlamentarischen Runde mit Arbeitgebern und Gewerkschaften Gesetzesänderungen beschlossen wurden, wen interessiert dann noch die Debatte im Bundestag? Eine kleine, aber nicht unwichtige Nebensache angesichts der wichtigen Einigung zum „sozialen Umbau“.
Der Kompromiß gilt als „arbeitnehmerfreundlich“: Den Gewerkschaften gelang es, die bisher gültigen günstigen Regelungen für die schon arbeitslosen Mittfünfziger zu retten. Wer auf Altersteilzeit geht, bekommt immerhin noch 70 Prozent vom alten Netto. Doch hinter den „Korrekturen“ werden neue Ungerechtigkeiten sichtbar. Blüm hat empfindliche Rentenkürzungen eingeleitet. Für die meisten Älteren gilt zwar noch der Vertrauensschutz: Wer heute einen Aufhebungsvertrag mit seinem Unternehmen besitzt oder als Älterer schon arbeitslos ist, hat weiterhin Recht auf eine ungekürzte Rente. Alle anderen trifft es: Wer ab 1999 im Alter von 60 Jahren in Rente geht, bekommt fast 11 Prozent weniger Altersruhegeld als heute. Mittfünfziger, die jetzt arbeitslos werden, müssen mit gekürzter Rente rechnen und höchstwahrscheinlich auch mit weniger Arbeitslosengeld.
Mit den geringeren Renten werden Ungleichheiten zementiert: Der Bauhandwerker wird den Abschlag schwerer verkraften als der Siemens-Ingenieur mit seiner zusätzlichen betrieblichen Versorgung. Mehr private Vorsorge wird nötig, das bedeutet mehr Einkommensungleichheit.
Die neue Einigung könnte aber auch der Start für ein Großexperiment sein: die Altersteilzeit. Betriebe, die Ältere auf Teilzeit schicken, bekommen Zuschüsse vom Arbeitsamt. Werden die Unternehmen jetzt massenhaft Altersteilzeitplätze einrichten, wie Arbeitgeberpräsident Murmann andeutete? Wird es tatsächlich zum Transfer von Arbeit kommen: von Alt nach Jung? Wenn die Altersteilzeit tatsächlich in größerem Umfang umgesetzt wird, ältere Männer demnächst zu Tausenden auf halben Stellen in ihren Betrieben werkeln – immerhin das wäre eine kleine Revolution. Barbara Dribbusch
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