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Deutsch-kroatischer Zwist um Mostar

Durch Bonns inkonsequente Politik gegenüber Zagreb sind die Beziehungen zwischen beiden Staaten auf dem Nullpunkt. Die Kritik von Außenminister Kinkel hat kaum Gewicht  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Nach dem offenen Dissens über die Zukunft Mostars, der am Dienstag bei den Gesprächen von Bundesaußenminister Klaus Kinkel mit seinem kroatischen Amtskollegen Mate Granić und Präsident Franjo Tudjman deutlich wurde, sprechen Beobachter von einer „schweren Belastung“ und einem „Tiefpunkt“ in den Beziehungen zwischen Deutschland und Kroatien. Die exjugoslawische Republik war vor vier Jahren auf Drängen der Regierung Kohl/ Genscher als unabhängiger Staat anerkannt worden.

Tatsächlich sind die Beziehungen schon seit geraumer Zeit schlechter, als gemeinhin vermutet. Und der Einfluß Deutschlands auf Kroatien ist viel geringer, als in den letzten Jahren in Bonn behauptet und in den anderen EU- Hauptstädten angenommen wurde. „Die Bundesregierung hat in Zagreb immer weniger Gewicht. Kinkel wird in Zagreb überhaupt nicht ernstgenommen. Über den lacht der Tudjman doch nur.“ Diese Darstellung eines Deutschen aus den letzten Tagen, der seit Ende der 80er Jahre häufig Gesprächspartner Tudjmans, seiner Minister und engsten Vertrauten war, wird auch von Deutschlands sehr wohlgesonnenen kroatischen Auslandsdiplomaten bestätigt. Der deutsche Außenminister sei „meist schlecht vorbereitet“ und habe „offenbar sein Dossier nicht gelesen“. Und es wird wohl registriert, daß Bundeskanzler Helmut Kohl sich bislang aus dem Streit völlig raushält und keine Unterstützung für die von Kinkel in Zagreb vertretene Linie bekundet hat. Doch die Ursachen für den abnehmenden Einfluß Bonns liegen nicht nur beim amtierenden deutschen Außenminister. Diese Entwicklung begann bereits unter Amtsvorgänger Hans-Dietrich Genscher mit seiner Prinzipienlosigkeit um die Jahreswende 1991/92. Statt seinerzeit darauf zu bestehen, daß die vom französischen Verfassungsjuristen Badinter im Auftrag der EG formulierten Kriterien und Voraussetzungen für eine staatliche Anerkennung jugoslawischer Republiken auf Kroatien voll angewandt werden, statt von Zagreb völkerrechtlich verbindliche Garantien für die Rechte der serbischen Minderheit zu verlangen, vertraute Genscher den unverbindlichen Zusagen Tudjmans. Dieser hielt sich in der Folgezeit dann nicht mehr daran.

Zum Bonner Ansehensverlust in Zagreb trug weiterhin bei, daß private und staatliche Wirtschaftsinvestitionen aus Deutschland nach der Anerkennung längst nicht in dem von den Kroaten erwarteten Umfang erfolgten. Während des Krieges zwischen den bosnischen Kroaten und den Muslimen im Jahre 1993 wurde in Zagreb mit Wohlwollen registriert, daß sich Bonn trotz der eindeutig größeren Verantwortung der Kroaten für diesen Krieg „neutral“ verhielt und die massive Unterstützung der bosnischen Kroaten mit Geld, Waffen und Soldaten aus Kroatien übersah.

1994 und 1995 konzentrierte sich die deutsche Diplomatie vorrangig darauf, Tudjman und Granić vor der „Überschätzung der Stärke der kroatischen Armee“ zu warnen und vor der Anwendung militärischer Gewalt zur Lösung der Konflikte mit den Serben in Westslawonien, der Krajina und Ostslawonien. Denn dann drohe ein Eingreifen der Armee Serbiens, gegen die die kroatischen Truppen „keine Chance“ hätten. Nach den Blitzsiegen der kroatischen Armee in Westslawonien und der Krajina gelten die Deutschen in Zagreb auch als schlechte Analytiker der militärischen Kräfteverhältnisse.

Solange Bonn die massive Unterstützung Zagrebs für die nationalistischen Extremisten unter den Kroaten in Mostar und anderen Teilen der Westherzegowina nicht offen kritisierte und bei Diskussionen innerhalb der EU über Sanktionsmaßnahmen gegen Kroatien als Bremser auftrat, wurde in Zagreb die Freundschaft mit Deutschland und das gute Verhältnis zwischen den beiden Ländern hervorgehoben. Nachdem Außenminister Kinkel nach den Angriffen auf EU-Administrator Hans Koschnick zumindest rhetorisch eine schärfere Gangart eingelegt hat, fühlt man sich in Zagreb unverstanden. Wobei das Kalkül offensichtlich ist, daß Kinkel und seine 14 EU-Amtskollegen umfallen und die bislang bekundete Unterstützung für Koschnicks Mostar-Dekret doch noch aufgeben.

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