: „Rechtsschutz bis zum Verfassungsgericht“
■ Die „Stichtagsregelung“ zur Rente wird wohl trotzdem Bestand haben
Berlin (taz) – „Bis zum Bundesverfassungsgericht“, sagt der Vorsitzende der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG) Roland Issen, „werden wir unseren Mitgliedern Rechtsschutz gewähren.“ Die Juristen der DAG haben die „Stichtagsregelung“ der gestern vom Bundeskabinett beschlossenen Frührentenreform gewogen und für zu leicht befunden. Issen erklärte der taz: „Nach unserer Auffassung erfüllt das den Tatbestand der Ungleichbehandlung.“ Das habe er im Vorfeld auch dem Bundesarbeitsminister Blüm vorgetragen. Der aber winkte ab: Das Bundesjustizministerium sieht keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die neue Rentenregelung ist ungerecht. Alle, die nicht unter den sogenannten Vertrauensschutz fallen, haben bis gestern umsonst auf eine garantierte Rentenhöhe ab dem 60. Lebensjahr vertraut.
Vertrauensschutz, sprich volle Rente, soll ab sofort nur noch den Versicherten gewährt werden, die vor dem 14. Februar 1996 das 55. Lebensjahr vollendet haben und arbeitslos sind. Vertrauensschutz genießen auch jene, die 55 Jahre und älter sind und vor dem Stichtag gekündigt wurden oder eine Vereinbarung mit ihrem Arbeitgeber über den Vorruhestand getroffen haben. Beschäftigte der Montanindustrie kommen schon mit 52 Jahren in den Genuß dieses Vertrauensschutzes.
Alle anderen fallen durch das Versicherungsnetz. Dennoch spricht einiges dafür, daß die neue Regelung trotz aller Ungerechtigkeit vor dem Bundesverfassungsgericht bestehen wird. Zwar gehören Stichtagsregelungen zu den verfassungsrechtlich umstrittenen Themen. Im Grundsatz gilt: Dadurch entstehende Ungleichbehandlungen von Bürgern sind dann hinzunehmen, wenn der gewählte Zeitpunkt des Stichtages am gegebenen Sachverhalt orientiert und sachlich vertretbar ist. Mit anderen Worten: Eine Stichtagsregelung darf nur nicht vollkommen willkürlich sein.
Dem oder der einzelnen hilft das wenig. Denn wieso, so mag sich eine 58jährige Versicherte, die in den kommenden Monaten entlassen wird, fragen, werde ich schlechter gestellt als mein schon heute arbeitsloser 55jähriger Kollege. Und das, obwohl ich doch der alten Rentengrenze von 60 Jahren viel näher stehe? Außer der formaljuristischen gibt es darauf keine gute Antwort. Julia Albrecht
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