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Der zweite Mord in Spaniens Wahlkampf

■ Mutmaßliches ETA-Mitglied erschießt in Madrid prominenten Juristen

Madrid (taz) – Spaniens Wahlkampf hat seinen zweiten Toten. Gestern morgen wurde der ehemalige Präsident des spanischen Verfassungsgerichtes, Francisco Tomás y Valiente, erschossen. „Ein junger Mann mit Brille“, so Zeugenaussagen, betrat kurz nach 10.30 Uhr in der Universität Autonoma in Madrid das Büro des Juristen. Mit drei Schüssen aus nächster Nähe ermordete er den 63jährigen Professor für Rechtsgeschichte. Eine Stunde später explodierte in einem nahegelegenen Stadtteil der Hauptstadt ein abgestelltes Auto. „Das Fluchtfahrzeug“, so vermutet die Polizei.

Mehrere Studenten, die der Attentäter auf seiner Flucht mit der Pistole bedrohte, erkannten auf einem Fahndungsfoto ein Mitglied des Kommandos Madrid der baskischen Separatistenorganisation ETA wieder. Vor einer Woche erschoß ETA in San Sebastian den sozialistischen Politiker Fernando Múgica.

Das politische Leben des Landes kam sofort zum Erliegen. Regierungschef Felipe González setzte seine Wahlkampfveranstaltungen aus, die Regionalparlamente unterbrachen die Sitzungen, die beiden Madrider Universitäten schlossen als Zeichen der Trauer über den Tod „eines herausragenden Demokraten und Universitätsgelehrten“ ihre Tore.

Francisco Tomás y Valiente, einer der Vorkämpfer für einen demokratischen Rechtsstaat nach Francos Tod 1975, gehörte zur Crème de la crème der spanischen Rechtswissenschaft. 1964, mit 32 Jahren, begann seine berufliche Laufbahn als Professor für Rechtsgeschichte in der Universität von Salamanca. Er machte sich als fortschrittlich gesinnter Jurist einen Namen, als er Anfang der 70er Jahre ein Buch zu einem so heiklen Thema wie die Folter in Spanien veröffentlichte.

Auch als Mitglied des Verfassungsgerichtes von 1980 bis 1992, die letzten sechs Jahre als dessen Vorsitzender, zeichnete er sich durch seine liberale Geisteshaltung aus. Bis heute ist vielen sein Einzelvotum beim Urteil über das Abtreibungsgesetz 1985 in Erinnerung. Er stimmte gegen das Projekt der Straffreiheit, weil ihm die Indikationsregelung nicht weit genug ging. Ein Ministeramt lehnte der Jurist vor drei Jahren mit der Begründung ab, er wolle seine politische Unabhängigkeit bewahren.

Letzten Sommer, als Richter Baltazar Garzon den ehemaligen Innenminister Barrionuevo und Regierungschef González als Drahtzieher des schmutzigen Krieges der GAL beschuldigte, meldete sich Tomás y Valiente öffentlich zurück. Er verurteilte die Abgabe des Falles an das Verfassungsgericht und warf Garzon Formfehler vor, allerdings ohne den schmutzigen Krieg, der 28 Menschen das Leben kostete, zu verteidigen. Reiner Wandler

Siehe Kommentar Seite 10

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