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„Wie ein gemeiner Spekulant“

■ Regierungskoalition verkauft 170 Wohnungen und den MieterInnenschutz gleich mit / Betroffene „über den Tisch gezogen“ Von Marco Carini

„Wie ein gemeiner Spekulant“, wutschnaubt die GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Susanne Uhl, „habe sich die SPD/Statt-Kooperation“ am Mittwoch abend in der Bürgerschaft benommen. Handstreichartig – ohne parlamentarische Debatte und Ausschußwarteschleife – stimmten beide Fraktionen eine Senatsmitteilung durch, mit welcher mehr als 170 über ganz Hamburg verteilte städtische Wohnungen über die Landesbank jeweils zum Höchstgebot an private KäuferInnen verscherbelt werden sollen.

Doch mit dem Wohnungsdeal, der die Stadtkassen mit rund 50 Millionen Mark füllen soll, werde „für maximalen Profit jeder ernstzunehmende Mieterschutz über Bord geworfen“. Uhl: „Ein ungeheuerliches Verfahren“.

Zwar sieht die Senatsdrucksache vor, daß im Umwandlungsfall der Kündigungsschutz bei Eigenbedarf des neuen Eigentümers von gesetzlich vorgeschriebenen zehn Jahren auf 15 Jahre verlängert wird. „Doch diese Regelungen“, so Mietrechtsspezialist Tay Eich, „schützen nur, wenn eine offizielle Umwandlung zur Eigentumswohnung stattfindet und die umgewandelte Wohnung weiterveräußert wird.“

Jurist Eich: „Wer eins der Objekte kauft, kann vom Tag seines Eintrags ins Grundbuch Eigenbedarf anmelden.“ Wird der Eigenbedarf vor Gericht bestätigt, müßte der bisherige Mieter nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist von höchstens einem Jahr ausziehen.

Weitere „Riesen-Schlupflöcher“ beim MieterInnenschutz sieht Eich bei der Kündigungsfrist für sogenannte Einliegerwohnungen und bei der miettreibenden Wohnungsmodernisierung. Eich: „Der vom Senat behauptete Schutz vor Luxusmodernisierungen ist nur eine Worthülse – es gibt keine einzige konkrete Beschränkung, die den Mieter schützt“. Mit dem Verkauf stehle sich der Senat so „aus seiner Verantwortung“ für die betroffenen BewohnerInnen.

Die fühlen sich, wie die 39jährige Sozialarbeiterin Petra Gollnest, von der beim Verkauf federführenden Finanzbehörde „über den Tisch gezogen“. Gollnest: „Die Behörde hat zugesagt, uns über jeden Schritt zu informieren“. Doch die Moneymaker vom Amt blieben stumm. Gollnest, die in einem der betroffenen Häuser am Klein Flottbeker „Hochrad“ wohnt: „Wir sind da gegen Mauern gelaufen“.

Die betroffenen MieterInnen haben inzwischen eine „Interessengemeinschaft gegen die Privatisierung städtischer Wohngrundstücke“ gegründet, die eine Nachbesserung ihrer Rechte im Kampf gegen Spekulanten fordert. Doch der Schnellverkauf an die Landesbank nährt bei ihnen „schlimmste Befürchtungen“. Petra Gollnest: „Die Zeichen stehen auf Verkauf, Verwertung und Rausschmiß“.

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