: Kuscheltierrock
■ Die Tanz- und Balzcombo „Bed & Breakfast“ betörte die Bremer Teens
Früher, als „New Kids on the Block“ alleinverantwortlich waren für die Hormonwallungen vorwiegend weiblicher Teenies, war alles übersichtlicher. Nun sind die „New Kids“ im Stimmbruch, „Take That“ lösen sich gerade auf; übrig bleiben Nachfolge-Unternehmen wie z.B. „Bed & Breakfast“, „Boyzone“ oder „Caught In The Act“. Die Bandnamen kann man als Volljähriger gerade noch auseinanderhalten; bei den Songs und Gesichtern aber wird's dann schwierig.
Schulmädchen hingegen können das. Beim „Bed & Breakfast“-Konzert im Bremer „Aladin“ wußten alle genau, wen sie wollten: Entweder Florian, David, Daniel, Goofy oder gleich alle vier der süßen Boys mit dem Multikulti-Flair. Daß sie alle trotz internationaler Hautfarben aus Deutschland kommen, wurde schlicht übersehen, Transparente wurden auf Englisch geschrieben: „David, I just want to be your teddybear!“ Wer in Fremdsprachen oder im Schreiben generell nicht ganz so firm war, malte einfach gut gemeinte Teddybären auf sein Laken oder beließ es bei den Initialen „B&B“ in aus Pappe ausgeschnittenen roten Herzen.
So war es ordentlich voll in der zweckentfremdeten Rocker-Disco. Folge: Der Geräuschpegel der unentwegt kreischenden Fans übertönte häufig sogar die Playbacks. Zu den Konservenklängen lieferte das Bubenquartett das erwartete Programm: Sie zogen sich ständig um (von Pyjama bis Armani und oben ohne), liefen umher, tanzten ein bißchen und sangen wenig. Der dickste Pluspunkt der chaotischen Choreographie war, daß die jungen Hüpfer sich nicht gegenseitig umrannten und nur selten von einem der etlichen Kuscheltiere getroffen wurden; davon nur einmal ins Gesicht. „Da mußt du aufpassen!“ belehrte Florian die Werferin, sah aber gleich ein: „War ja wohl keine Absicht!“
Zwischendurch mußten immer wieder Roadies mit dem Besen über die Bühne wieseln, um den Künstlern ein bißchen Platz in all dem geworfenen Plüsch und den Liebesbriefen zu schaffen. Gelegentlich wurde auch schon mal ein Mädchen aus dem vorderen Pulk von starken Ordnerarmen in sicherere Gefilde gehievt, meist bereits zu erschöpft, um noch Widerstand zu leisten. Widerstand konnte auch „die Melanie“ kaum leisten. „Die Melanie“ war das Mädchen, das „Bed & Breakfast“ auserkoren hatten, kurz auf die Bühne zu kommen, dort schüchtern herumzusitzen, ein paar Gummibärchen mit Daniel zu essen und sich ein T-Shirt schenken zu lassen.
Der Softpop mit Billigbeat und Hauruck-Harmonien, den die Kids für ihr Gekreische geboten bekamen, war angesichts der Showeffekte musikalisch nicht weiter von Belang. Falls zwischen zwei Playbacks doch mal für ein bis zwei Töne zu Keyboard und Klampfe gegriffen wurde, nannten es die Jungs gleich „ein bißchen jammen“. Dafür waren einige der einstudierten Witzeleien tatsächlich freiwillig komisch. Falls „Bed & Breakfast“ irgendwann in den Stimmbruch kommen, könnten sie immer noch auf einen Job im boomenden Comedy-Geschäft hoffen.
Andreas Neuenkirchen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen