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Weniger kann teurer werden

■ Rechtsanspruch auf Kindergartenplätze soll entfallen / Hamburg verärgert freie Träger / Der Stadt droht eine Prozeßlawine Von Iris Schneider

Keinen Rechtsanspruch auf einen Platz im Kindergarten für jedes Kind in Hamburg ab 1. Januar 1996, das fordert Jugend- und Schulsenatorin Rosemarie Raab. Erst ab 1. August 1998 soll dieser Anspruch in der Hansestadt gelten, die Jugendministerkonferenz, deren Vorsitzende Frau Raab ist, will gar bis zum 1. 1. 1999 warten.

Zur Erinnerung: Im Zusammenhang mit der gescheiterten Reform des Paragrafen 218 sollte den Frauen – gleichsam als Beruhigungspille – das Leben mit einem Kind dadurch schmackhaft gemacht werden, daß ihnen ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz gewährt wurde, sobald das Kind drei Jahre alt ist. Da dieser Anspruch bei der Verabschiedung des Gesetzes 1992 in kaum einem Bundesland zu erfüllen gewesen wäre, räumte Bonn den Ländern eine Frist bis 1996 ein. Seitdem werden die Landespolitiker nicht müde zu beklagen, daß sie den bedarfsgerechten Ausbau der Kindergärten nicht fristgerecht bewältigen könnten.

In Hamburg wurden die Ausbaupläne für die Betreuung drei- bis sechsjähriger Kinder nach der Novelle des Kinder- und Jugendhilfegesetzes um 800 Plätze von 2500 auf 3300 pro Jahr aufgestockt. Aber obwohl 1994 in Hamburg 4060 neue Plätze geschaffen wurden, fehlen noch rund 11.200 Kindergartenplätze allein im Elementarbereich (3 bis 6 Jahre). Rechnet man den Betreuungsbedarf in Krippen (sechs Monate bis drei Jahre) und Horten (Grundschul-Kinder) hinzu, fehlen gar 20.000 Plätze, wie die GAL errechnet hat.

Wenn es gelänge, jedes Jahr 3.300 weitere Plätze bereitzustellen, sei im August 1998 ein bedarfsdeckendes Angebot im Elementarbereich vorhanden, versichert der Leiter des Jugendamts, Jürgen Näther. Was die Stadt in ihren öffentlichen Verlautbarungen dezent verschweigt: Die größte Last – zumindest organisatorisch – beim Ausbau der Kindergärten tragen private Initiativen und nicht-städtische Träger, wie das Diakonische Werk oder der Arbeiter Samariter Bund.

So ist es auch kein Wunder, daß die Versorgung in Stadtteilen, in denen Mütter in der Lage sind, viel Zeit in die Organisation von Kinderläden zu investieren, bereits heute der Bedarf weitgehend gedeckt ist. In Vierteln wie Tonndorf, Harburg oder Bergedorf wird hingegen noch nicht einmal die für Hamburg durchschnittlichen 75 Prozent Bedarfsdeckung erreicht.

Die Verwirklichung des Rechtsanspruchs scheitert an „Flächen, Finanzen und Personal“ behauptet der Jugendamtsleiter. Stimmt nicht, halten die freien Träger dagegen. So wollte allein das Diakonische Werk ursprünglich 1000 weitere Plätze bis Ende 1995 schaffen. Durch wechselnde Vorgaben vom Amt für Jugend werden es jetzt nur noch 600 sein. „Viele unserer Träger werden durch die Hinhaltetaktik der Stadt frustriert“, sagt Inge Lüders vom Diakonischen Werk. Diese Erfahrung bestätigt Claus Reichelt vom alternativen Trägerverband SOAL: „Bei uns haben 10 Initiativen angefragt, die rund 300 Plätze schaffen wollten, aber die Stadt hat alle Verhandlungen mit diesen Gruppen bis 1996/97 gestoppt“.

Wenn der Bundestag keine weitere Übergangsregelung beschließt, haben Eltern aber in 11 Monaten einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Und was dann? „Der Anspruch kann faktisch nicht erfüllt werden“, beteuert Jürgen Näther. Die GAL-Abgeordnete Jutta Biallas rät deshalb „allen Eltern, die ein drei- bis sechsjähriges Kind haben, zu klagen“. Das könnte teuer für die Stadt werden.

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