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Der einzige Zeuge ...

■ ... der polizeilichen Scheinhinrichtungen, und wie man ihn loswerden will: Neue Vorwürfe im Fall Joel Boateng und Hinweise auf Täter Von Silke Mertins

Drohanrufe, Ermittlungen gegen das Polizeiopfer statt gegen die Täter, schlampige und auffällig langsame Recherchen der Staatsanwaltschaft, Belästigung von engagierten Menschenrechtlern und Zeugen: Die Liste der Vorwürfe, die das Komitee zur Verteidigung der Menschenrechte gestern erneut im Fall Joel Boateng gegen Hamburger Polizei, Staatsanwaltschaft und Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) erhob, ist lang.

Nach Ansicht des Komitees tun die Hamburger Behörden alles, um Belastendes gegen den Ghanaer Joel Boateng zu finden, der als Zeuge und Opfer einer mutmaßlichen Scheinhinrichtung ausgesagt hat. So sei sein Foto auf den Schiffen und unter AfrikanerInnen herumgezeigt, Angst gestreut sowie der Eindruck vermittelt worden, Boateng sei ein Polizeispitzel.

Außerdem hätten Staatsanwaltschaft und Dienststelle für Interne Ermittlungen (DIE) einen ehemaligen Mitgefangenen von Joel Boateng – beide saßen 1991 zusammen in Untersuchungshaft – massiv unter Druck gesetzt. „Sie haben mir gesagt, wenn ich gegen Joel was sagen könnte, dann hätten sie etwas in der Hand, um ihn abzuschieben. Dann hätten sie im Prinzip ein Problem weniger“, sagte der Zeuge in einem Gespräch mit Komiteemitgliedern, das auf Video festgehalten wurde. Ihm sei klargemacht worden: „Wenn ich der Hansestadt Hamburg helfen könnte, aus dieser Misere herauszukommen“, und er Boateng belasten würde, „dann würde man sich erkenntlich zeigen, wenn ich mal in irgendwelchen Schwierigkeiten stecke“. Am Ende sei seine Aussage in dem Protokoll so verändert gewesen, daß er es nicht unterschreiben wollte. Daraufhin hätten die Ermittler ihm mit Bestrafung gedroht. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Rüdiger Bagger, bezeichnet die Vorwürfe als „abwegig“.

Während das Komitee, so Sprecher Michael Herrmann, kurz davor steht, die polizeilichen Täter zu ermitteln, ist die Staatsanwaltschaft augenblicklich noch dabei, „den Zeitraum einzugrenzen“. Die Staatsanwaltschaft, so das Komitee, habe Boateng noch immer nicht die Möglichkeit gegeben, die Täter zu identifizieren. „Wir können doch nicht eine Halle anmieten und 500 Polizisten vorführen“, so Bagger. Eine Gegenüberstellung würde erfolgen, wenn sie sinnvoll sei.

Zwischenzeitlich hat es der Petitionsausschuß der Bürgerschaft auf Anraten des Ausländerbehördenchefs Ralph Bornhöft abgelehnt, Boatengs Aufenthaltsstatus abzusichern. „Dabei hatte Innensenator Wrocklage zugesagt, sich persönlich dafür einzusetzen“, so Komitee-Mitglied Christian Arndt. Das allerdings bestreitet die Innebehörde jetzt.

Somit ist der einzige Zeuge der Scheinhinrichtung nur geduldet und kann „jederzeit abgeschoben werden“. Angesichts dieser Erfahrungen könne das Komitee „afrikanischen Opfern nur empfehlen, nicht bei der Staatsanwaltschaft oder dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß auszusagen“. Die Angst bei Schwarzen aus der Szene – mögliche Polizeiopfer seien schließlich nicht „im Kreise der Mitarbeiter konsularischer Vertretungen afrikanischer Staaten“ zu finden – auszusagen sei so verstärkt worden. Michael Herrmann: „Da kann man sich nur noch an amnesty international wenden.“

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