: Und: Hat Welles überhaupt gedient?
■ Dokudram: „The Battle over Citizen Kane“ von Lennon/Epstein im Forum
Viereinhalb Kilo soll Orson Welles bei seiner Geburt gewogen haben, und wenn man späte Aufnahmen von ihm sieht, hat man den Eindruck, er sei einfach immer weiter gewachsen. Speziell der Kopf. Als genau so ein Riesentotem sitzt „Citizen Kane“, sein 1941 gestartetes Filmportrait des Pressezaren W. Hearst, der Filmgeschichte auf. Nach Simon Callows profunder Welles-Biographie versucht nun der Dokumentarfilm „The Battle over Citizen Kane“ die Lebensentwürfe beider Giganten wie Folien übereinanderzulegen, so daß sich Amerikas Lieblingsthema als Silhouette abzeichnet: Power and Celebrity.
Aber weil sich Präzision und Geniekult auf die Dauer nicht so recht vertragen, schwankt der Film – der ja als „solide Recherche“ präsentiert werden soll – zwischen Doku und Drama, mit dem Effekt, daß man ihm nicht so recht über den Weg traut. Es ist viel Geraune und Geplapper dabei. Hochinteressant ist aber, daß es zwischen Welles und Hearst eine Parallele gibt, die keiner von beiden gern herausstellte: Beide waren als Populisten im damaligen linksliberalen Sinn angetreten: Welles mit seiner New Yorker Theaterarbeit, etwa mit einer schwarzen Laientruppe und Bühnenabenden bei der KP, und Hearst wollte Zeitungen für den einfachen Mann machen. In Hollywood haben beide diese Neigungen dann ein wenig aus dem Auge verloren, auch wenn Hearst in seiner Schmutzkampagne gegen „Citizen Kane“ auch mit dem Label „kommunistisches Machwerk“ arbeitete (und: hat Welles überhaupt gedient?).
Als Nebenprodukt, von dem der Film selbst nichts ahnt, liefert er auch ein kleines Lehrstück zu einer bestimmten Inszenierung von Künstlertum, der es nicht reicht, wenn applaudiert wird. Die Leute sollen die Luft anhalten. „Fünf Jahre lang“, schrieb Newsweek kürzlich, „verkörperte er Amerikas Verehrung und Mißtrauen gegenüber dem Künstler.“ Daß sich das Mißtrauen in diesem Fall durchgesetzt hat, ist irgendwie beruhigend. Mariam Niroumand
The Battle over Citizen Kane“, USA 1995, 108 Min., Regie: Thomas Lennon, Michael Epstein.
Heute um 11 Uhr im Kino 7 (Zoo- Palast), 16.30 Uhr im Delphi. Morgen um 18.30 Uhr im Arsenal
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