: Jugend forscht...
■ ...und probiert auch gleich aus: John Dahls „Unforgettable“ im Panorama
Wenn man einen Tag mit zwei Thrillern und etwa dreißig Leichen hinter sich hat, kommt einem eine Anmerkung wie die zu John Dahls „Unforgettable“ etwas bizarr vor. „In diesem Film wurden keine Tiere verletzt. Was Sie sehen, sind Plastikmodelle“, spricht's zu Anfang, worauf erst mal ein paar menschliche Leichen drapiert und einige Fässer Blut verkippt werden. Ist das nicht ein lustiger Einfall? Ja, das ist es. Dabei berechtigte John Dahl nach „Red Rock West“ und „The Last Seduction“ zu den schönsten Hoffnungen!
„Unforgettable“ ist die Geschichte des Polizeipathologen David Krane, der – obwohl freigesprochen – weiter verdächtigt wird, der Mörder seiner Frau zu sein. Krane, ein Mann von Ehre und Gewissen macht er sich auf die Jagd nach dem wahren Mörder. Zufällig hat die Neurobiologin Martha Briggs per Experiment gerade ein Hirnserum isoliert, mit dem man die Erlebnisse anderer Menschen nacherleben kann, wenn man es sich injiziert. Sie ahnen es. Krane (Ray Liotta) spritzt sich die Hirnflüssigkeit seiner toten Frau, dann die des vermeintlichen Mörders und zuletzt noch die einiger anderer Leute, weil er zwar die Wahrheit liebt, mehr aber noch den Kick dieser Psycho-Trips.
Alles übrige ist eine schiefe Naht aus Thriller, Science Fiction und selbstverliebter Junkie- Übung. Spritze, Kick, Spritze, Kick und Ssswitch – mal ist Krane Opfer, mal Mörder. Dazu ein bißchen hausgemachte Philosophie: Krane, dessen Herz sowieso schon am Tod seiner Frau krankt, holt sich beim Injizieren auch noch einen wirklichen Herzfehler. Sprich: Wo sitzt denn nun die Erinnerung – im Verstand oder im Herzen? Das sollte mit einer weiteren Tonne Blut geahndet werden, in der man den Regisseur auf den Namen „Freud junior“ taufe, wenn auch die Idee, daß ein herzkranker Arzt einem gut trainierten Junkie-Killer hinterherhechelt, einer gewissen Komik nicht entbehrt.
Mit von der Partie ist Linda Fiorentino, die eine ernsthafte Wissenschaftlerin zu geben beabsichtigte, aber leider nicht nur wie eine Highschool-Absolventin aussieht, sondern auch so spielt. Wenn Fiorentino klug aussehen möchte, setzt sie eine sogenannte aparte Brille auf, die sie jedoch flugs wieder abnimmt, wenn es um gewisse Szenen mit dem nicht unflotten Dr. Krane geht. Dieses Detail ist ganz wie im richtigen Leben, was man vom Rest des Films nicht sagen kann. Die Amerikaner nennen Vorkommnisse wie „Unforgettable“ nicht etwa Virtual Experience, sondern einfach mind fucking. Anke Westphal
„Unforgettable“, USA 1996, 111 Min., Regie: John Dahl
Heute um 17 Uhr im International
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