■ Standbild: Die große Demut
„Freitalk“, Fr., 21.15 Uhr, Hessen 3
Gottes Wege sind unerforschlich: Ein „Disko“-Moderator („Licht aus – Wooom, Spot an!“) hat graue Haare bekommen und leitet nun eine Talkshow mit dem Thema „Theologie auf Umwegen“. Ilja Richter praktiziert „Freitalk“ mit einem christdemokratischen Journalisten, einem abgehalfterten Schlagersänger und einer Internet-Pfarrerin. Das ist so abgedreht, daß man erst einmal eine Weile mit offenem Mund vor dem Fernseher sitzt, um zu verstehen, daß das nicht satirisch gemeint ist. Es ist nicht so, daß die Sendung kein Konzept hat. Im Gegenteil. Ilja ist gut informiert über seine Gäste. Er hat ihre Bücher gelesen und streut Hintergrundinformationen über Gott und die Welt ein. Vom Professionellen her betrachtet steht Ilja Biolek nicht nach. Auch das pastorale Näseln in seiner Stimme paßt recht gut zur Sache.
Allein, das Thema „Theologie auf Umwegen“, die schrullige Art des individuellen Glaubens (die sich am Ende doch nur in Phrasen ausdrückt), überschreitet von Mal zu Mal die Schwelle zur unfreiwilligen Komik. Der 54jährige Schlagersänger Peter Horton will „einer Wirklichkeit Raum geben, die keinen Gegenwert hat“, und redet über den Verbleib der zerkauten Kartoffel. Er meint: „Es war ein Augenblick der Liebe und der Hingabe, der mich geschaffen hat.“ Das ist in der Tat „Theologie auf Umwegen“.
Schließlich fragt Ilja die Online-Predigerin Graffam-Minkus: „Ist das Internet der Briefkasten Gottes?“ Das sind die Themen, auf die wir schon immer gewartet haben. Es folgt ein betulicher Freitalk über Freitod. Und am Ende sagt Franz Alt: „Solange auf dieser Erde Kinder geboren werden, hat der liebe Gott diesen Planeten nicht vergessen.“
Zwischen der evangelischen Computer-Pfarrerin, dem sinnsuchenden Schlagersänger auf New-Age-Trip und dem „Report“-Journalisten herrscht eine transzendente Einigkeit. Sirup quillt aus dem Apparat, und man ist froh, auf der anderen Seite des Fernsehers zu sitzen. Ich sprach mit Gott über diese Sendung. Er hat sie nicht gesehen. Er hat gerade das Spiel Frankfurt – Uerdingen verfolgt und mit der Eintracht gezittert. Manfred Riepe
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