: Die Männer müssen mit ran
Schulmediziner und Pharmaindustrie setzen trotz Diskussion um die Gesundheitsrisiken der Mikropillen auf hormonelle Verhütungsmittel. Die sanfteren Methoden werden dabei oft vergessen ■ Von Ute Sprenger
Pille, Spirale oder Präservative – jede Frau ist mit der Art ihrer Empfängnisverhütung mehr oder weniger unzufrieden. Zwar sind eine Reihe von Mitteln und Methoden verfügbar, um eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern, keine davon aber ist ideal für alle Lebenslagen. Zudem verunsichern die Pillenskandale der letzten Jahre viele. Und selbst in einem Land wie der Bundesrepublik, wo Informationen über Verhütung leicht zugänglich sind, ist lange nicht all jenen, die verhüten wollen, auch bekannt, was es an Methoden gibt und wie sie anzuwenden sind. Hilfreich bei der Suche nach einer geeigneten Methode können deshalb Ratgeber zum Thema sein.
„Paare oder Frauen, die erstmals nach einer passenden Verhütungsmethode suchen oder aber die Methode wechseln möchten“, so verheißt ein vor wenigen Monaten bei rororo erschienenes „Verhütungsbuch“, fänden hier Informationen zu den „bekannten Kontrazeptiva“. Zwei britische MedizinerInnen, die Ärztin für Familienplanung, Anne Szarewski, und der Londoner Gynäkologe und Pillenforscher John Guillebaud, haben dieses Handbuch, das sich tatsächlich vor allem an Frauen wendet, geschrieben. Es bedarf allerdings einiges an gutem Willen und eines außerordentlichen Verhütungsnotstandes, sich durch die klinischen und lustfeindlichen Ausführungen über Fortpflanzungsorgene und Genitalkontakt und die teilweise arg verquaste Sprache diese Sachbuches hindurchzulesen. Ärgerlich ist auch die oftmals wörtliche Übersetzung des Bombastes, mit dem die beiden britischen MedizinerInnen ihren Ratgeber überfrachtet haben. Hinzu kommt, daß die Verfasser sich offenbar nicht allzu viele Gedanken über ihre Zielgruppe gemacht haben. Sonst wäre das in einer verwirrenden Vielzahl medizinischer Fakten ersaufende Konvolut wohl mit weniger als 316 Seiten ausgekommen. Ein weiteres Manko: Die Abhandlungen über Kontrazeptiva erstarren ehrfurchtsvoll vor dem technischen Mythos der Pharmaforschung, nur moderne – sprich: hormonelle – Verhütung sei richtige Verhütung. In ihrer ungebrochenen Begeisterung für Hormone stellen die HandbuchautorInnen schließlich weniger gesundheitsschädliche Methoden, wie Kondom, Diaphragma oder Zervixkappe so umständlich und unappetitlich vor, daß Unentschlossene durch die Lektüre garantiert keine Lust zum Ausprobieren dieser Verhütungsvarianten bekommen. An mancher Stelle verrennen sie sich dann dermaßen in die Verharmlosung andauernder Hormonskandale, daß es selbst der Verlagsredaktion bei Rowohlt zuviel geworden sein muß. Anders läßt sich nicht erklären, weshalb der Verlag in Fußnoten vor dem Thromboserisiko bei erhöhter Östrogenkonzentration im Blut warnt und auf die Gesundheitsgefährdung von Diabetikerinnen durch die Pille, aber auch auf die mögliche Fehlbildungen durch Gestagenspritzen in der Frühschwangerschaft hinweißt. Unkommentiert bleibt jedoch ein Abschnitt in dem Buch, der ausgerechnet gestagenhaltige Mikropillen jungen Frauen zum Einstieg in die Verhütungskarriere wärmstens empfiehlt. Jener Pillen also, deren Anwendung unlängst von den Gesundheitsbehörden hierzulande eingeschränkt wurde. Das mag daran liegen, daß das Buch kurz vor der Entscheidung darüber erschienen ist, daß die dritte Pillengeneration vorerst nicht mehr an Frauen unter 30 und Frauen, die bisher nicht mit den Mikropillen verhütet haben, verschrieben werden darf.
Wer sich diese staubtrockene Bleiwüste über sexuelle Hygiene und Geschlechtsverkehr ersparen möchte, aber für die Vita heterosexualis tatsächlich mehr medizinisches als praktisches Wissen benötigt, sollte besser gleich auf ein Fachbuch zurückgreifen. Hier bietet sich der auch für Laien durchaus verständliche Leitfaden zur Empfängnisverhütung an, den der Thieme Verlag seit Mitte der sechziger Jahre für Ärzte und Studenten herausgibt und alle paar Jahre aktualisiert. Dessen Autor, der ehemalige Chefarzt der Gynäkologie im Münchener Städtischen Krankenhaus, Professor Gerd Döring, hegt zwar ebenfalls eine Vorliebe für die modernen Ovulationshemmer. Aber da es sich bei dem Buch um ein schulmedizinisches handelt, wird wohl kaum jemand etwas anderes erwarten. Der Vorteil dieses Leitfadens: Weil er für die ärztliche Praxis geschrieben ist, bietet er einen schnellen Überblick über gängige Methoden – inklusive der Verweise auf weitere medizinische Literatur zum Thema.
Wer allerdings weniger Wert legt auf wissenschaftliche Daten, sondern sich oder ihrem/seiner Liebsten rasch verhütungstechnisch auf die Sprünge helfen will, ist besser mit einem Ratgeber bedient, der schon 1994 im Falken- Verlag erschienen ist. Geschrieben hat ihn die Journalistin Andrea Schmidt-Forth, die sich dazu Rat bei Pro Familia holte. Hier wird gezeigt, daß sich Tips für die Empfängnisverhütung auch sprachlich mit Liebe, Lust und Leidenschaft vertragen. Und noch etwas hebt dieses Buch positiv vom rororo- Sachbuch ab: Während dort geklagt wird, die Männer seien oft unkooperativ in der Sexualität, werden sie hier selbstbewußt in die Pflicht genommen: „Der Mann muß mit ran, daran gibt es heute nichts mehr zu deuteln. Wer die schönen Seiten der Liebe (...) genießen will, muß auch ein Stück Verantwortung übernehmen.“
Ohne jede Peinlichkeit blättert Schmidt-Forth dann auch praxisnah die hierzuande übliche Methodenpalette auf – von hormonellen und chemischen bis zu mechanischen Verhütungsmitteln, von operativen bis hin zu natürlichen Methoden – und wägt die jeweiligen Vor- und Nachteile gegeneinander ab. Ein Extrakapitel gibt es für den Fall: „Wenn trotzdem etwas passiert.“ Daß dabei das umstrittene Medikament RU 486 als „sanfte Alternative“ zum Schwangerschaftabbruch per Absaugmethode vorgestellt wird, mag sicher so mancher aus der Frauengesundheitsbewegung sauer aufstoßen. Für EinsteigerInnen oder UmsteigerInnen allerdings hat dieser übersichtliche und benutzerfreundliche Ratgeber ganz sicher einen hohen Gebrauchswert.
Anne Szarewski: „Das Verhütungshandbuch“. rororo gesundes leben, Reinbek 1995, 316 Seiten, 19,90 DM
Gerd H. Döring: „Empfängnisverhütung. Ein Leitfaden für Ärzte und Studenten“. Thieme Verlag, Stuttgart 1990, 171 Seiten, 29,80 DM
Andrea Schmidt-Forth: „Empfängnisverhütung: Ein Thema für zwei.“ Falken-Verlag, Niedernhausen 1994, 168 Seiten, 19,90 DM
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