: Elefanten im Porzellanladen?
■ Die Firma Fürstenberg sucht mit „jungem“ Porzellan-Design neue Kunden. So will man die Krise der Manufaktur meistern
„Nein, in der Porzellanindustrie bringen Scherben kein Glück“, versichert der Direktor der Porzellanmanufaktur Fürstenberg (Kreis Holzminden), Christian Hirsch, und stellt damit das alte Sprichwort auf den Kopf. Viele Millionen DM seien in den vergangenen drei Jahren vom Hauptgesellschafter, der Nord/LB, in die Manufaktur investiert worden. Sie zählt zu den ältesten Betrieben Niedersachsens.
Körperlich belastende Arbeiten wie Heben, Weitersetzen und Transportieren wurden minimiert. Früher sei es auf den viel zu langen Wegen schon mal vorgekommen, daß eine ganze Lore voller Tassen, Schüsseln, Tellern, figürlicher Plastik oder Vasen scheppernd umgestürzt sei.
Die gelegentlichen Scherben waren allerdings nicht der Grund für die Modernisierung, sondern der Druck des Marktes hätte die jetzt fast abgeschlossene Runderneuerung des 1747 gegründeten Betriebes gefordert, sagt Geschäftsführer Hirsch. Eine „komplett neue Logistik“ sorge für rasche Betriebsabläufe und ermögliche kurze Lieferzeiten. Die verlange der Handel heute, um die eigenen Lager klein halten zu können.
Die historischen 60 Meter langen Tunnelöfen, in die früher das Porzellan zum Brennen rollte, seien deshalb abgerissen und an ihrer Stelle computergesteuerte „Herdwagenöfen“ errichtet worden. Sie böten den Vorteil, daß in kürzeren Zeiten kleinere Mengen gebrannt werden könnten. „Die alten Öfen durften nie ausgehen, selbst wenn sie nicht beschickt waren. Sie erwärmten dann nur die Umwelt“, schildert Hirsch.
„Fast alle deutschen Porzellanmanufakturen stecken in einer Strukturkrise. Doch wir hoffen, daß sich dieser Trend nicht noch fortsetzt.“ Auch bei Fürstenberg sei der Verkauf von 1994 auf 1995 um acht Prozent auf knapp 20 Millionen DM zurückgegangen, weil Billigimporte aus dem Osten auf den Markt drängten. Die nach Meißen (Sachsen) zweitälteste Manufaktur in Deutschland habe jedoch ihre Zielgruppe erweitert, schildert Hirsch.
Eine Marktanalyse habe ergeben, daß zwar mehr als 60 Prozent der erwachsenen Deutschen die Porzellanmarke Fürstenberg kennen. Es kam aber auch heraus, daß der typische Käufer von Qualitätsporzellan 47 Jahre alt sei. „Doch bei uns gibt es zwölf Millionen Singlehaushalte, und das sind oft jüngere Menschen mit Schönheitssinn, Tischkultur und dem Verlangen nach neuem Design.“
Neben den Urformen, deren Originale seit der Renaissance zum großen Teil erhalten sind, seien deshalb auch zahlreiche „junge“ Muster entwickelt worden. Der Liebhaber könne jedoch wie bisher aus jeder Zeitepoche Porzellan finden. Es werde bedruckt oder nach den alten Musterbüchern in Einzelanfertigung von „Manufaktur-Porzellanmalern“ mit feinsten Marder- oder Feenhaarpinseln farbig bemalt und vergoldet.
Obwohl die Manufaktur mit rund 200 Beschäftigten, von denen 30 nach der Wende aus Meißen kamen, die Ausmaße einer Fabrik hat, steht Handarbeit im Mittelpunkt der „weißen Kunst“. Allein 13 ausgeformte Einzelteile aus der lederartigen Porzellanmasse müssen sorgfältig zusammengefügt werden, um das Wappentier der Niedersachsen, das weiße springende Pferd, herzustellen. dpa
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