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Keine Computer für Kuba

Als ob der Kalte Krieg noch voll im Gange wäre – an der Grenze zu Mexiko hält die US-Polizei regelmäßig Solidaritätskarawanen für Kuba auf  ■ Aus San Diego Ingo Malcher

Kein Durchkommen auf dem Highway Number 5 am Samstag morgen gegen halb acht: Auf der linken Spur schlängelt sich ein Konvoi von etwa dreißig Streifenwagen des San Diego Police Departments in Richtung mexikanische Grenze. Dort empfängt ein Spalier von Polizisten mit Helmen und Schlagstöcken die überraschten Reisenden. Polizeihelikopter kreisen über den Straßen. Um die Wirtschaftsblockade der USA gegen Kuba aufrechtzuerhalten, fahren die Behörden alles auf, was das Land an Polizei zu bieten hat: FBI, Zollpolizei und Highway Patrol. Der Grund: eine Solidaritätskarawane der „Pastors for Peace“, die Computer und Medikamente für Kuba im Gepäck hat.

„Dies ist ein großer Aufwand, um US-Bürger davon abzuhalten, gute Nachbarn Kubas zu sein“, kritisiert „Pastors for Peace“-Gründer Lucius Walker die Polizeipräsenz. Die Computer sollen in dem Projekt „INFOMED“ die Krankenhäuser Kubas vernetzen, so daß medizinische Informationen online abrufbar sind. „Die USA betreiben eine Politik des Todes, wenn sie die Computer nicht durchlassen!“ ruft Walker in ein Megaphon. Die Anwesenden klatschen Beifall. Der Polizeieinsatzleiter gesellt sich zu den etwa vierhundert DemonstrantInnen auf dem Parkplatz vor der schwerbewachten Grenze. Er erläutert Walker, wie schmerzhaft Handfesseln funktionieren. „Und wir werden sie benutzen“, kündigt er an.

Vor zwei Wochen, beim ersten Versuch der Karawane, die Grenze in Richtung des Flughafens im mexikanischen Tijuana zu überqueren, wurden dreihundert Computer beschlagnahmt, sieben Leute verhaftet, einer der Festgenommenen mußte im Krankenhaus behandelt werden, nachdem Polizisten ihn etwa 100 Meter über den Boden geschleift hatten.

Von etwas weiter weg tönen „Cuba si, Castro no!“-Rufe. Ein Grüppchen von etwa fünfzig Mitgliedern der extremistischen antikommunistischen Exilkubanergruppe „Alpha 66“ hat sich zur Gegendemonstration versammelt – viele im Kampfanzug. Ihr Repertoire reicht vom ausgestrecken Mittelfinger zu „Kommunisten glauben nicht an Gott“-Schildern. Bereits am Morgen hatte „Alpha 66“ im Fernsehen angekündigt, die Karawane-Mitglieder verprügeln zu wollen. Die Karawane antwortet mit „We shall overcome“ und wirft den Gegendemonstranten Handküsse zu.

Die Grenze für Fußgänger ist eine schwere Eisendrehtüre, die nur in eine Richtung zu passieren ist. Dicke, beigefarbene Stahlzäune bilden einen etwa 50 Meter langen Gang bis zur Grenze. Kurz vor der Eisendrehtüre sind heute Tische aufgebaut, an denen das Gepäck der Reisenden kontrolliert wird. Jeder, der mit einer Pappkiste den Gang entlangläuft, wird von Zollbeamten zu den Tischen eskortiert. „Haben Sie einen Computer in der Kiste?“ fragt dort ein flott gekleideter Zollinspektor in Zivil mit kugelsicherer Weste und Sonnenbrille, dem die silberne Pistole locker im Hosengürtel steckt. Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnet er die Kiste. Kommt ein Computerteil zum Vorschein, wird es beschlagnahmt und auf einen Lieferwagen geladen. Vorher muß sich der Grenzgänger mit seinem Gepäck fotografieren lassen und bekommt ein Formular, das die Beschlagnahme bestätigt.

Zur gleichen Zeit singen vor der Grenze andere DemonstrantInnen „Wir werden die Blockade brechen“. Ein Mann um die Sechzig mit Gewerkschaftsemblem auf der Jacke gibt mit Pfanne und Löffel den Rhythmus vor. Alpha 66 antwortet. Im Chor skandieren die Männer und Frauen in Kampfanzügen „Em-bar-go! Em-bar-go!“

Bilanz des Tages: 35 beschlagnahmte Computer und 100 Kisten mit Medikamenten, die in Mexiko ankamen. „Wir haben gewonnen“, meint Lucius Walker dennoch. Andere sind weniger optimistisch. „Die heutige Aktion kam über einen symbolischen Akt nicht hinaus“, kritisiert Athene Lohan von der Freundschaftsgesellschaft Vancouver–Kuba. „Die Computer sind nicht dort, wo sie hinsollten.“

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