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Bosnien-Vereinbarungen auf dem Prüfstand

■ Bosnische Serben erscheinen erst gar nicht zur Sitzung der Militärkommission

Rom (taz) – Führende Vertreter der bosnischen Serben unterliefen bereits gestern Zusagen, die Serbiens Präsident Slobodan Milošević am Tag zuvor auf dem Bosnien- Krisengipfel in Rom in ihrem Namen abgegeben hatte. Der Vizechef der bosnisch-serbischen Armee, Zdravko Tolimier, erschien nämlich gestern nicht zu dem Treffen mit den Armeeführern der bosnischen Regierungsarmee und der kroatischen Milizen sowie den Kommandeuren der Ifor auf einem US-Flugzeugträger in der Adria. Mit diesem Treffen der „Gemeinsamen Militärkommission“ sollte die uneingeschränkte Kooperation der Serben mit der Ifor und der bosnischen Regierung wiederaufgenommen werden, deren Abbruch die Serbenführung in Pale nach der Festnahme von zehn mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrechern durch die bosnischen Behörden am 30. Januar verfügt hatte.

Als „Gefährdung für den Friedensprozeß“ kritisierte Serbenführer Radovan Karadžić die Verständigung über den Umgang mit mutmaßlichen Kriegsverbrechern, die US-Chefunterhändler Richard Holbrooke bereits als Erfolg seiner Reise nach Sarajevo, Zagreb und Belgrad vor zwei Wochen verkündet hatte. Danach sollen Personen, gegen die bereits eine Anklage des Internationalen Kriegsverbrechertribunals in Den Haag vorliegt, auch von nationalen Behörden jederzeit festgenommen werden können. Nach Aussage eines Sprechers der Milošević-Delegation in Rom gelte dies auch für Karadžić und den bosnisch-serbischen Armeechef Ratko Mladić. Gegen beide liegt seit Juni 1995 eine Anklage des Tribunals und seit November ein Haftbefehl vor.

Falls Ifor-Oberbefehlshaber General Leighton Smith der Nato und diese daraufhin dem UNO-Sicherheitsrat mitteilt, daß die Zusagen Milošević' von den bosnischen Serben vor Ort tatsächlich eingehalten werden, sollen die UNO- Wirtschaftssanktionen gegen die Serbische Teilrepublik in Bosnien aufgehoben werden.

In Mostar wird sich ab heute mittag erweisen, was die von Tudjman und dem kroatischen Bürgermeister des Westteils der Stadt, Mijo Braković, in Rom gemachten Zusagen in der Praxis wert sind. Ab 12 Uhr mittags soll die völlig uneingeschränkte Bewegungsfreiheit für alle Personen gelten, die ursprünglich bereits zum 8. Februar vereinbart war. Zur selben Zeit soll die unter Befehl von EU- Administrator Hans Koschnick stehende muslimisch/kroatische Polizeitruppe in der ganzen Stadt gemeinsame Kontrollgänge aufnehmen. Zur Verstärkung dieser Truppe entsenden Kroatien und Bosnien jeweils 100 weitere Polizisten nach Mostar. Nach „schwierigen, qualvollen“ Verhandlungen und unter heftigem Druck vor allem von Holbrooke akzeptierte Tudjman in Rom schließlich auch den bislang von Zagreb und den Kroaten Mostars abgelehnten Schiedsspruch Koschnicks zur Aufteilung Mostars in sieben Verwaltungsbezirke. Um Tudjman einen allzu großen Gesichtsverlust zu ersparen, wurde in Rom allerdings vereinbart, daß der gemeinsame muslimisch/kroatische Zentralbezirk sehr viel kleiner ausfallen wird, als von Koschnick vorgeschlagen. Zudem wird nur eine begrenzte Zahl von Einwohnern in diesem Zentralbezirk der Stadt ihren Wohnsitz nehmen dürfen. Bosniens Präsident Izetbegović und der Bürgermeister des muslimischen Ostteils von Mostar, Safet Orucedić, stimmten diesen Regelungen unter massivem Druck zu.

Unklar und interpretationsfähig sind die in Rom lediglich in Form einer unilateralen Erklärung des Hohen Repräsentanten Carl Bildt veröffentlichten Regelungen für Sarajevo. Die Serben in den fünf Vororten und Stadtteilen, die ab 19. März unter die Verwaltung der muslimisch-kroatischen Föderation fallen, sollen auch künftig entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil von 1990 auf unterster lokaler Ebene an Verwaltungs- und Polizeiaufgaben beteiligt werden. Milošević verkündete nach seiner Rückkehr aus Rom allerdings die „volle paritätische“ Beteiligung der bosnischen Serben auf allen Ebenen.

Die künftige Polizeitruppe der Föderation steht zumindest bis zu den Wahlen in Bosnien unter Kontrolle der UNO-Polizei und muß Maßnahmen wie Festnahmen, Durchsuchungen oder die Errichtung von Kontrollstellen von dieser vorab genehmigen lassen. Serbische Polizisten sollen nach Überprüfung durch die UNO-Polizei in die Polizeitruppe der Föderation eintreten können. Andreas Zumach

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