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Fortschritte bei Regierungsbildung in der Türkei

■ Die Konservativen und die Islamisten einigen sich auf eine Koalition, verhandeln aber immer noch darüber, wie die Ressorts im künftigen Kabinett verteilt werden

Ankara (taz/AP/AFP) – Die Regierungskoalition zwischen der konservativen Mutterlandspartei (Anap) und der islamistischen Wohlfahrtspartei (RP) in der Türkei scheint beschlossene Sache. Nach ihrer vierten Verhandlungsrunde gaben Anap-Parteichef Mesut Yilmaz und RP-Führer Necmettin Erbakan gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Ankara wieder einmal eine Einigung bekannt. Morgen sollen Verhandlungen über die noch strittige Besetzung der Schlüsselressorts beginnen. So heißt es in Ankara, zwar seien sich beide Parteien einig darüber, daß die Anap Außen- und Verteidigungsminister stelle, allerdings wolle sie auch das Innenministerium nicht den Islamisten überlassen – was diese aber zur Bedingung machen.

Bereits am Donnerstag vergangener Woche hatte es so ausgesehen, als ob die Bildung einer Koalitionsregierung nur noch eine Formsache sei. Nach Beratungen der Parteigremien, so hatten Yilmaz und Erbakan verkündet, könne man voraussichtlich am Samstag eine Einigung verabschieden. Doch dann tauchten Schwierigkeiten auf. Die Basis der Anap mochte nicht mitspielen, hatte doch die Partei, wie auch die amtierende Ministerpräsidentin Tansu Çiller, noch vor den Wahlen verkündet, niemals mit den Islamisten koalieren zu wollen. Zahlreiche Abgeordnete der Anap drohten im Falle einer solchen Koalition mit dem Parteiaustritt. Wohl von dieser Ablehnung innerhalb der eigenen Partei beeinflußt, erhöhte die Anap-Führung in den Verhandlungen am Wochenende weiter die Bedingungen für eine gemeinsame Regierung. Galt es vorher als ausgemacht, daß in einem Rotationsmodell zunächst die Anap den Regierungschef stellen und dann nach einem Jahr von der Wohlfahrtspartei abgelöst werden sollte, so forderte der Anap-Vizechef Ilker Tuncay nun, die Islamisten sollten zunächst für den Zeitraum von drei Monaten eine Minderheitsregierung der Anap unterstützen. Dieser Vorschlag scheint mit der Einigung von gestern vom Tisch zu sein. Sollte Erbakan in einem Jahr die Regierungsgeschäfte übernehmen, wäre er der erste islamistische Ministerpräsident seit 1923.

Aus den Wahlen am 24. Dezember vergangenen Jahres war die islamistische Wohlfahrtspartei mit 158 von 550 Sitzen als stärkste politische Kraft im türkischen Parlament hervorgegangen, gefolgt von Çillers „Partei des rechten Weges“ mit 135 und der Anap mit 133 Sitzen. Weder Erbakan noch Çiller gelang es, eine Regierungsmehrheit zustande zu bringen. So war Yilmaz der dritte Politiker, der mit der Regierungsbildung beauftragt worden war. pkt

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