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„Dauerloch Werften“

■ Der Ökonom Jo Müller sieht für den Bremer Schiffbau keine Zukunft / Er ist gegen neue Landeshilfen

Der Wirtschaftswissenschaftler Jo Müller hat in den 80er Jahren an der Bremer Universität über die Strukturkrise der Region geforscht – als Kollege des Schiffbau-Experten Heiner Heseler. Er war Bundestagsabgeordneter der Grünen und lebt seit 1989 in Hamburg. Heute ist er Verleger der „Hamburger Rundschau“.

taz: Lohnt es sich für die betroffenen norddeutschen Länder, den Riesen Vulkan zu retten?

Jo Müller: Das wird sich nicht lohnen. Für die Liquiditätsschwierigkeiten des Verbundes gibt es ja gute Gründe: sehr hohe Kosten, sinkende Weltmarktpreise für Schiffe und der Vulkan-Verbund war zu groß.

Friedrich Hennemann hat immer erklärt, daß gerade in der Kombination aus Schiffbau, Maschinenbau und Elektronik die Synergieeffekte entstehen, die den Verbund wettbewerbsfähig machen.

Die Vorstellung, man könne eins und eins zu drei zusammenzählen, ist falsch. Ich kenne kaum ein Beispiel von gelungenen Synergieeffekten. Im Endeffekt müssen Marktpreise gezahlt werden, egal ob die Unternehmen zueinander gehören oder nicht.

Im Osten baut der Vulkan mit hunderten von Millionen staatlicher Subventionen höchst moderne Werften. Wo ist der Sinn, die jetzt als Ruinen stehenzulassen?

Man kann das weiterbauen, aber dann muß man sich langfristig darauf einlassen, diese Werften immer zu subventionieren. Doch das verbietet die Europäische Union. Dann wird es nicht möglich sein, unter der Bedingung bundesrepublikanischer Löhne kostengünstig Schiffe zu produzieren.

Die großen Werft-Kapazitäten, die jetzt im Osten aufgebaut werden, sind nur mit einer standardisierten Massenproduktion auslastbar. Aber das können die Koreaner, Thailänder und Japaner wesentlich besser.

Den Costa-Auftrag hat der Vulkan bekommen, weil er eine besonders schnelle Werft ist.

Geschwindigkeit kann manchmal Geld bedeutet, aber auf Dauer kann man damit nicht überleben.

Ich kann mir aber vorstellen, daß einzelne Unternehmen, die unter dem Vulkan-Dach existieren, überlebensfähig sind – beispielsweise STN Atlas Elektronik. Aber das käme auf eine Einzelanalyse an.

Nun droht die Herauslösung dieser lukrativen Unternehmen aus dem Verbund...

Das ist sogar gesetzlich vorgeschrieben. Der Konkursverwalter muß die Dinge, die Geld bringen, verkaufen und die, die kein Geld bringen, wird er verschrotten.

Bremen sollte sich also freuen, wenn die drei Werften lieber heute als morgen dichtgemacht werden?

Bremen sollte auf alle Fälle bloß nicht noch weiter Geld verbürgen, so daß die Staatskasse von dem Konkurs einigermaßen geschont bleibt. Und dann wird die entscheidende Frage sein: Gibt es in Bremen genügend Innovatoren und Arbeitskräfte, die bereit sind, zusammen Projekte zu entwickeln, die Bremen eine neue Chance geben. Im Augenblick sehe ich da unheimlich schwarz.

Entweder die Werften mit Zuschüssen am Leben erhalten oder die Arbeitslosigkeit finanzieren?

Man wird die Arbeitslosigkeit finanzieren müssen.

Weil es sinnvoller ist?

Erstens ist es verboten, die Werften so weiterzufinanzieren. Wer offene Grenzen und Europa will, der muß auch diese Gesetze akzeptieren. Zweitens wären die Werften ein derart gigantisches Dauerloch, in das man Geld hineinschmeißt, daß es sicher sinnvoller ist, an neue Branchen zu denken, als alte Werften zu subventionieren.

Die Schließung würde für Bremen billiger als ihr Erhalt?

Man muß das als Chance sehen. Nur moderne Produkte haben eine Chance, und Schiffe gehören heutzutage nicht mehr zu den modernen Produkten, so bedauerlich das ist. Die einzige Branche, in der in den letzten Jahren wirklich Arbeitsplätze entstanden sind, ist der hochtechnologische Umweltbereich. Da ist die Bundesrepublik auch führend und es gibt Märkte, die weit mehr Arbeitskräfte nachfragen, als die, die beim Vulkan jetzt verlorengehen.

Aber es ist nicht der Bereich, in dem Vulkan-Arbeiter sich qualifiziert haben.

Jemand der Schiffe bauen kann, kann auch sehr viel anderes tun. Und wenn der Staat in Weiterbildung und Umschulung investiert, dann lohnt sich das ganz bestimmt.

Als es vor zwei Jahren um die Schließung der Bremer Klöckner-Hütte ging, war Ihre Prognose ähnlich düster. Aber seit der Verselbständigung floriert das Stahlwerk. War Ihre Analyse falsch?

Nein, die Analyse ist auch weiterhin richtig. Und wenn ich die Umsätze im Stahlbereich anschaue, dann schlittern wir gerade in die nächste Stahlkrise hinein. Ich bin mir sicher: Man wird über die Hütte in Bremen im nächsten Jahr wieder diskutieren müssen. Was ich traurig finde, für die Leute, die dort arbeiten.

Fragen: Dirk Asendorpf

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