■ John Schlesinger
: Ein Engländer, der in der Fremde filmt

John Schlesinger Foto: M. S. Gordon

„An Englishman Abroad“ heißt ein Fernsehfilm von John Schlesinger, und der Titel scheint programmatisch für ihn selbst zu sein: Seit 1970 dreht der britische Regisseur seine Filme hauptsächlich in den USA und hat sich dabei immer weiter von seinen europäischen Wurzeln entfernt. Begonnen hatte Schlesingers professionelle Karriere einst als Regisseur von Features über Kunst und Oper für die BBC. Der Erfolg des Dokumentarfilms „Terminus“, der mit Humor und genauer Beobachtungsgabe einen Tag auf dem Bahnhof schildert, führte 1962 zu Schlesingers Spielfilmdebüt „A Kind of Loving“. Der Glaubwürdigkeit dieses vor dem Hintergrund von Wohnungsnot in einer öden Industriestadt spielenden Familiendramas kam dabei sein in den Dokumentarfilmen entwickeltes Gespür für die Atmosphäre von Schauplätzen zugute.

Häufig geraten Schlesingers Protagonisten in den Konflikt zwischen Gesellschaftszwängen und ihren eigenen Wünschen und Träumen – wie beispielsweise auch der „Billy Liar“ im gleichnamigen Film (1963), der in einer tristen Kleinstadt spielt. Billy arbeitet beim örtlichen Leichenbestatter und träumt sich in eine Fantasiewelt hinein, aus der ihn auch eine junge Frau nur kurzfristig herausholen kann. Sein Versuch, der Tristesse zu entfliehen, endet bereits am Bahnhof. Schlesingers Filme sind Zeugnisse ihrer Ära „Paßte „A Kind of Loving“ mit seinem kitchen sink-Realismus noch genau in die Phase der britischen „Angry Young Men“-Filme, so zeigt „Darling“ (1965) eine Geschichte um die Liebschaften eines Models, die Oberflächlichkeit des Swingin' London auf, indem er sich dessen ästhetischer Prinzipen bedient.

An seinem ersten amerikanischen Film „Midnight Cowboy“ (1970) wurde seinerzeit vor allem der europäische Blick auf den amerikanischen Traum gerühmt, doch seit dem Erfolg von „Marathon Man“ (1976) wandte sich Schlesinger immer häufiger dem kommerziellen Thriller mit Variationen zum Thema „Durchschnittsmensch trifft auf Psychopathen“ zu.

Zumindest hat sich der Regisseur jedoch seinen bisweilen sardonischen Humor bewahrt, wie in jener unvergeßlichen Szene in „Pacific Heights“, in der einen mit „Kakerlaken-Ansaug-Aggregat“ (KAA) ausgerüsteten Schädlingsbekämpfer angesichts der Größe und Menge der zu vernichtenden Viecher die Panik befällt. Lars Penning