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USA: Schlappe für Dole

Der Rechtsaußen Pat Buchanan hat die wichtigen Vorwahlen in New Hampshire gewonnen  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Bei einem Mann dürfte das Telefon seit Dienstag abend nicht mehr stillstehen: Geschockt durch den Vorwahlsieg von Pat Buchanan in New Hampshire und den chronischen Energiemangel ihres Favoriten Bob Dole, rufen zahlreiche Republikaner erneut nach Colin Powell – dem einzigen, dem sie zutrauen, eine immer weiter auseinanderdriftende Partei im Wahlkampf gegen Bill Clinton noch einmal zusammenzuführen. Doch der General im Ruhestand steht nicht zur Verfügung. Also muß sich das Establishment der Partei nun selbst mit dem Schlamassel befassen, der seit letztem Dienstag in eine Katastrophe für die Republikaner ausarten könnte.

„Wir holen uns die Partei zurück“, triumphierte Pat Buchanan Dienstag nacht, nachdem feststand, daß er mit 27 Prozent der Stimmen Bob Dole mit 26 Prozent knapp geschlagen hatte. Rein rechnerisch ist die Bedeutung der Vorwahlergebnisse in New Hampshire eher gering: Hier gibt es nur 16 der insgesamt 1.984 Delegiertenstimmen für den republikanischen Parteitag im August in San Diego zu gewinnen. Um für die Präsidentschaftskandidatur nominiert zu werden, sind wenigstens 993 Stimmen nötig. Doch in New Hampshire entscheidet sich meist, ob ein Kandidat mit Rückenwind oder mit Beulen ins Rennen durch die anderen Bundesstaaten geht.

Doles Niederlage hier hat mehrere Gründe: Zum einen war er das Hauptziel einer massiven Fernsehkampagne des Multimillionärs Steve Forbes, die den Senator aus Kansas für zahlreiche Steuererhöhungen im Kongreß verantwortlich machte. Vor allem aber hatte Forbes in den Anfangswochen des Vorwahlkampfes den Themenkanon völlig umgeworfen: Plötzlich war nicht mehr die Bekämpfung des Defizits und Doles Kooperation mit der „republikanischen Revolution“ im US-Kongreß von Interesse, sondern Steve Forbes' Forderung, das gesamte Steuersystem „in den Müll zu schmeißen“ und durch eine „flat tax“, eine lineare Besteuerung aller Einkommensschichten, zu ersetzen. Doch die Millionenausgaben rentierten sich für den Verleger auch in New Hampshire nicht: Forbes landete mit elf Prozent abgeschlagen auf dem vierten Platz.

Pat Buchanan, Kandidat des „angry white voters“

Mit Buchanan gewann in New Hampshire der Kandidat des „kleinen Mannes“ oder des „angry, white, working class voters“, wie die Washington Post in einer Schlagzeile schrieb. Gemeint ist damit jene Wählergruppe, die Ronald Reagan in den achtziger Jahren den Demokraten abspenstig machte. Nicht Steuern oder das Haushaltsdefizit zählen zu ihren Hauptsorgen, sondern niedrige Löhne und Angst um Arbeitsplätze in einer zunehmend globalisierten Ökonomie. Buchanans Wagenburg-Rhetorik gegen Immigranten und Freihandel traf offenbar den richtigen Nerv – obwohl laut einer Umfrage der Washington Post nur 31 Prozent der republikanischen Wähler in New Hampshire Pat Buchanan zutrauen, Bill Clinton im November schlagen zu können. Immerhin 46 Prozent geben Bob Dole eine Chance.

Dole kann sich nach wie vor Hoffnungen auf die Präsidentschaftsnominierung machen – doch bestenfalls kann er im August auf dem Parteitag der Republikaner einen Pyrrhussieg feiern. Zwar hat der Fraktionsführer der Partei im Senat nach Steve Forbes die größte Wahlkampfkasse und weiß das gesamt Partei-Establishment vom Vorstand bis zu vielen Gouverneuren hinter sich. Doch dem 72jährigen ist es bislang nicht gelungen, seiner Kampagne wenigstens etwas Charisma und Elan einzuhauchen. „Wenn er seine Auftritte nicht verbessert“, erklärte Robert Teeter, Ex-Wahlkampfmanager für George Bush, „dann schafft er es möglicherweise nicht.“

Teeter und andere Mitglieder des Partei-Establishment denken nun auch laut darüber nach, ob nicht Lamar Alexander, der als moderat geltende Ex-Gouverneur von Tennessee, bessere Chancen gegen Bill Clinton haben könnte. Alexander belegte mit 23 Prozent der Stimmen in New Hampshire wie schon in Iowa den dritten Platz hinter Buchanan und Dole. Doch Alexanders Wahlkampfkassen sind fast leer – und die großen Spender im politischen Geschäft sind wenig geneigt, einem ewigen Dritten den Geldbeutel neu aufzufüllen. Denkbar ist, daß bald der innerparteiliche Druck auf Alexander wächst, sich aus dem Rennen zurückzuziehen. Denn eine Spaltung des moderaten Wählerpotentials zwischen Dole und Alexander könne sich die Partei, so Teeter, jetzt nicht mehr leisten.

Buchanan selbst erklärte auf seiner Siegesfeier in New Hampshire Bob Dole und die „alte Ordnung“ der republikanischen Partei zum vorläufigen Hauptfeind – noch vor Bill Clinton. Tatsächlich ist es dem Ex-Redenschreiber für Richard Nixon und Ex-CNN- Kommentator gelungen, einen mittleren Basisaufstand zu organisieren. Auf dem Weg zu den nächsten Vorwahlen klang Buchanan denn auch wie der Führer einer Guerillatruppe – allerdings aus dem letzten Jahrhundert. „Wartet nicht auf Kommandos“, rief er seinen euphorisierten Anhängern zu. „Sattelt die Pferde und reitet mit dem Donner der Gewehre.“

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