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War das Rettungsmanöver unerwünscht?

■ Im Unglückshafen war nicht nur der Radar kaputt. Rettungsschlepper hätten die Katastrophe vermeiden können, doch niemand wollte das Schiffswrack aufnehmen

Die Havarie der „Sea Empress“ ist schon der zweite Tankerunfall in Milford Haven in kurzer Zeit. Das ist kein Zufall: Seit einem halben Jahr ist die Radaranlage des Hafens kaputt. Die Tanker manövrieren blind. Bei der erst drei Jahre alten „Sea Empress“ trennt nur eine einzige Wand das Öl vom Meer – ein Schiffstyp, den Umweltschützer endlich aus dem Verkehr gezogen sehen wollen.

Das ist genausowenig zu erwarten wie die Erfüllung anderer Forderungen, die nach dem Ölunfall der „Braer“ vor den Shetland-Inseln 1993 in Großbritannien laut wurden. So sollten Öltanker ökologisch besonders sensible Zonen meiden, und die Regierung sollte kräftige und hochseetüchtige Schlepperboote anschaffen.

Zwei solche Schlepper wurden dann tatsächlich an der Südküste sowie in Schottland stationiert. Auf die Idee, Milford Haven – Großbritanniens größten Ölhafen, der an einer stürmischen Küste mitten in einem Naturpark liegt – damit auszurüsten, kam die Regierung nicht. Noch unbegreiflicher: Die beiden neuen Schlepper dümpeln auch jetzt noch in ihren Heimathäfen, statt vor der walisischen Küste zu helfen. „Na ja“, verkündete gestern der Leiter des Rettungsteams, Joe Small, „die Schlepper sind ziemlich weit weg.“ Allerdings ist seit der Havarie fast eine Woche vergangen – und alle sind sich einig, daß die „Sea Empress“ mit genügend Schlepperkapazität in den ersten Tagen hätte gerettet werden können. Statt der britischen Schlepper liegt nahe dem Unglücksort ein chinesischer Schlepper vor Anker. Er wurde am Sonntag herbestellt – und gleich wieder aus dem Verkehr gezogen. Als Grund wird kolportiert, die Crew habe lieber das chinesische Neujahr feiern wollen. Die offizielle Version: Das Boot sei technisch ungeeignet. Warum hat man es dann hergeholt?

Vielleicht war es gar nicht erwünscht, den Tanker von der Küste wegzumanövrieren. Nach Berichten von Umweltschützern, die den Funkverkehr zwischen der russischen Tankercrew und den Hafenbehörden abgehört haben, weigerte sich die Texaco-Ölraffinerie in Milford Haven am Sonntag, das damals noch manövrierfähige Schiff aufzunehmen. Auch die Hafenbehörde habe das abgelehnt. Ein Transport auf das offene Meer wurde gar nicht erst versucht. Die Begründung liegt auf der Hand: Wenn das lecke Schiff seinen Standort verläßt, gefährdet das auslaufende Öl zwar weniger Vögel, wohl aber die örtliche Fischerei. Und das wäre teuer. Beim Ölunglück vor den Shetland-Inseln 1993 entstanden die größten Geldverluste nicht durch Umweltverschmutzung, sondern durch die Schädigung des kommerziellen Fischfangs. In Milford Haven wollte man das wohl vermeiden.

Umweltgruppen und die Labour-Opposition, die den örtlichen Parlamentsabgeordneten stellt, fordern seit Tagen eine unabhängige Untersuchung. Schiffahrtsminister Goschen lehnt dies ab. „An einer Untersuchung, die durchgreifen könnte, sind wir nicht interessiert“, sagte er unvorsichtigerweise nach der gescheiterten Rettungsaktion vom Dienstag der BBC. Da war der eingeflogene Lord allerdings schon durchgefroren und genervt. Trotz allem weigerte sich Goschen auch gestern, von einer ökologischen Katastrophe zu sprechen. Er erkennt bisher lediglich ein „Umweltproblem“.

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