Vulkan vergleichsweise pleite

■ Eine Milliarde Mark Verlust und Tausende von Arbeitsplätzen in Gefahr: Schiffbaukonzern beantragt Vergleich

Bremen (taz) – Nach wochenlangen verzweifelten Rettungsversuchen blieb Deutschlands größtem Werftenverbund, der Bremer Vulkan Verbund AG, gestern nur noch der Weg zum Vergleichsrichter. Es war der 21. Tag, an dem der neue Vorstandschef Udo Wagner im Amt war. In der letzten Woche hatten die Banken dem neuen Konzernchef klargemacht, daß jetzt auch er persönlich wegen Konkursverschleppung verantwortlich gemacht werden könnte, wenn er weiter zögere.

Wagner stellte gestern die Bilanzen der 60 Firmen des Vulkan-Verbundes für das Jahr 1995 vor: eine Milliarde Mark Verlust und keine Aussicht auf Besserung. Daß es keine neuen Bankkredite mehr geben würde, hatte im vergangenen September am Anfang der Krise des Vulkan gestanden. Für die 22.500 Mitarbeiter in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern ist mit dem Vergleichsantrag wegen Zahlungsunfähigkeit vorerst ein Konkurs abgewendet worden. Ohne einen Vergleich, bei dem die Gläubiger auf bis zu 65 Prozent ihrer Forderungen verzichten müßten, wäre der befürchtete „Anschlußkonkurs“ fällig. Einen erheblichen Arbeitsplatzabbau wird es so oder so geben, räumte gestern der Bremer Regierungschef Henning Scherf (SPD) in einer Regierungserklärung ein.

Als erste Vulkan-Tochter beantragte gestern die Bremerhavener Schichau-Seebeck-Werft den Vergleich. Allein diese Werft hat im letzten Jahr 145 Millionen Mark Defizit gemacht – auch die Aufträge zur Fertigstellung des Kreuzfahrtschiffes „Costa“ waren nur mit einer Unterdeckung (zirka 200 Millionen Mark) hereingeholt worden. Nicht verlustbringend ist die Rüstungselektronik-Tochter des Vulkan, die Bremer STN Atlas Elektronik. Offen ist aber, was aus zirka 200 Millionen Mark Forderungen wird, die die STN an die Konzernmutter hat. In den letzten Tagen waren Gerüchte aufgetaucht, der neue Konzernchef verhandele über den Verkauf von STN-Anteilen an den US-Rüstungsgiganten Lockheed-Martin oder an den französischen Rüstungskonzern Thomson. Allerdings ist STN zu einem Drittel an den Bremer Senat verpfändet. Insgesamt belaufen sich die Bremer Bürgschaftsrisiken für den Vulkan-Verbund auf etwa 900 Millionen Mark. Die vier ostdeutschen Vulkan-Töchter erklärten, sie seien nicht überschuldet und würden die Produktion aufrechterhalten. Für die MTW-Werft in Wismar und die Stralsunder Volkswerft wurden noch am Mittwoch Landeskredite von 31 Millionen und 24 Millionen Mark von der EU genehmigt. Der Staatssekretär des Bonner Wirtschaftsministeriums, Johannes Ludewig, warnte jedoch vor großen Hoffnungen mit den Worten, die staatlichen Möglichkeiten für eine Rettung des Vulkan seien „sehr eng begrenzt“. Klaus Wolschner Seite 6