: Ein exquisites Museum auf Zeit
■ Deichtorhallen: Die einzigartige Sammlung moderner Kunst von Ileana Sonnabend
Das „Vitello Tonnato“ ist angerichtet, der Kunstschmaus kann beginnen: Mit 115 Exponaten aus der Sammlung Sonnabend hat Hamburg ein exzellent bestücktes Museum moderner Kunst auf Zeit. Die in den Deichtorhallen gezeigte Ausstellung gleicht einem „Who is Who“ der euro-amerikanischen Kunst aus den letzten vierzig Jahren, in dem die Speiseimitate von Claes Oldenburg natürlich nicht fehlen dürfen.
Von Ikonen der Moderne wie Jasper Johns Bild der US-Flagge von 1954 zu Jeff Koons Edelstahl-Kaninchen von 1986: Die Sammlung Ileana und Michael Sonnabend dokumentiert die Arbeit der Galeristin in Paris, Genf und New York. Sie hat mit legendärem Spürsinn Künstler entdeckt und durchgesetzt. Dabei hat sie Kunsttrends gemacht und die Kunstgeschichte mitbestimmt.
Doch die Galeristin ist eine sensible, zurückhaltende Frau, die nicht jetsettig daherkommt und stets lange braucht, sich mit einer Arbeit anzufreunden. Dabei sucht sie nur die Beziehung zum Werk: „Wenn sie einen Künstler nett finden und die Arbeit ist uninteressant, ist das eine Tragödie“.
Nach ihrer Herkunft gefragt sagt die Amerikanerin: „Ich bin in Rumänien geboren, aber ich finde Nationalitäten nicht wichtig. Kunst ist international“. Und ihre Arbeit ist nicht abgeschlossen: der Austausch zwischen Europa und USA, das Sammeln, Exponieren, Aufwerten und Verkaufen geht weiter. In der kommenden Woche zeigt die New Yorker Galerie die deutsche Fotokünstlerin Candida Höfer, hier in Hamburg sind die in Europa kaum bekannten Maler Caroll Dunham, Matthew Weinstein und Terry Winters in der Auswahl.
Große Teile der exquisiten Sammlung wurden bereits 1988 in Berlin gezeigt, doch hier in den einmalig großen Räumen sind die Werke mehr auf Vergleich hin inszeniert. Solche Dialoge waren zu Beginn der sechziger Jahre noch keineswegs selbstverständlich, fanden dann aber sogar Niederschlag in eigenen Werken: So wendet Arman, Mitglied der „Nouveau Realistes“ seine Sammeltechnik auf Jim Dine's Abfallkorb an und Michelangelo Pistoletto widmet 1965 eine Spiegelarbeit Claes Oldenburg.
In der Ausstellung kann sich nun jeder Besucher seine eigenen Verbindungslinien erwandern, eines der Lieblingsstücke des Autors ist „The Cock in the Sniper's Nest...“ von Ronald Jones (1989-1991). Hier werden ein neolithischer Phallus, die Kartons, die Lee Harvey Oswald stapelte, um John F. Kennedy zu erschießen und eine geometrische Konstruktion aus einem Bild Giorgio de Chiricos samt einer Texttafel zu einem diskursiven Objekt über die Fälschungen und Konstruktionen von Geschichte zusammengefaßt. Hajo Schiff
Bis 5. Mai; Katalog im Cantz-Verlag, 49 Mark
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