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Schüchterne Parteirebellen

Beim politischen Aschermittwoch in Mecklenburg-Vorpommern fehlen populistische Gaudi, Maßkrüge und Volkstribune – und die markigen Worte über die Parteikritik der Ost-CDU  ■ Von Christoph Seils

Schwere Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen, und so gestand Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Bernd Seite am Mittwoch abend seinen Parteifreunden, er sei an diesem Tage zum ersten Mal seit 38 Jahren wieder hinter einem roten Transparent marschiert. Nein, nicht der regionalen Identität der Ostdeutschen CDU wegen, sondern auf einer Kundgebung vor der zum Vulkan Verbund gehörenden Volkswerft in Stralsund. Die Parteifreunde vernahmen die Beichte gelassen, über 10.000 Arbeitsplätze sind in Mecklenburg-Vorpommerns letztem industriellen Kern bedroht. Da muß das Volk zusammenstehen.

Nicht nur Mecklenburg-Vorpommerns Werftindustrie ist vom Untergang bedroht, sondern auch die CDU-geführte Landesregierung, und so haben Mecklenburg- Vorpommerns Christdemokraten in den letzten beiden Wochen mit dem Strategiepapier ihres Fraktionsvorsitzenden Eckhardt Rehberg und den 14 Thesen ihres Bundestagsabgeordneten Paul Krüger die innerparteiliche Debatte angeheizt.

„Deutlich Worte“ hatte die Parteiführung auch für ihren ersten politischen Aschermittwoch versprochen, schließlich haben die Christdemokraten an der Ostseeküste die bayrische CSU zum Vorbild erkoren, um sich als stärkste politische Kraft im Lande auf Dauer zu etablieren. Kanzlerliebling Angela Merkel ist trotz Schneechaos genauso angereist wie Rebell Rehberg und der Thesen-Krüger. Obwohl das Festzelt mit rund 600 CDU-Anhängern gut gefüllt ist, fehlt in der mecklenburgischen Provinz für eine rauschende populistisches Polit- Gaudi so ziemlich alles. Keine Maßkrüge gibt es, keine markigen Sprüche und keinen Volkstribun.

Dabei hatte CDU-Generalsekretät Peter Hinze am selben Morgen noch eine Steilvorlage geliefert. „Unnötig“ nannte er die von Eckhardt Rehberg geforderte innerparteiliche Werte-Diskussion, „unberechtigt“ die Kritik am Aufbau Ost, „holzschnittartig“ dessen politische Visionen. Doch niemand greift den Ball auf, der Mut muß den Christdemokraten im Schneetreiben verlorengegangen sein, oder war das ganze nur ein Mißverständnis? Alle Welt redet über die Ost-CDU, doch dem Ministerpräsidenten des Landes, der weiß Gott kein rhetorisches Talent ist, gelingt das Kunststück, das Thema in seiner Rede mit keinem einzigen Wort zu erwähnen. Die Landesvorsitzende Angela Merkel ist da kaum couragierter. „Es war richtig, daß Eckhardt Rehberg den Anstoß zur innerparteilichen Diskussion gegeben hat“, fiepst sie ins Mikrophon und wendet sich gleich wieder den christdemokratischen Heilsbringern zu: der Ostseeautobahn und dem Transrapid.

Paul Krüger, Sprecher der 65 ostdeutschen Bundestagsabgeordneten, reckt zur Begrüßung zwar mutig seine geballte Faust, doch das war's denn auch schon. Er verstehe viele Reaktionen nicht, klagt der frühere Bundesforschungsminister völlig irritiert. Von einem eigenen ostdeutschen Regionalverband nach CSU-Vorbild habe er in seinen 14 Thesen nie gesprochen, von einer möglichen Aufkündigung der Koalitionsdisziplin im Bundestag könne überhaupt keine Rede sein. Wie Krüger das Kunststück fertigbringen will, nur „parteiintern“ Kritik zu üben, aber dennoch nach „außen“ mehr Eigenständigkeit zu demonstrieren, weiß er wahrscheinlich selber nicht. Und damit nun wirklich niemand mehr auf die Idee kommt, er habe einen Aufstand planen wollen, fügt er beinahe entschuldigend hinzu, er habe seine Thesen doch auf Wunsch des Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble geschrieben.

Der Renner ist Rehbergs „Ketzerschrift“, wie er sie nennt, am Aschermittwoch nicht. In der Schweriner Parteizentrale allerdings soll dies anders sein. Wegen der großen Nachfrage ist das Strategiepapier inzwischen zweimal nachgedruckt und in einer Auflage von 8.000 Exemplaren vertrieben worden. Viel Prügel hat Rehberg einstecken müssen, auch wenn die Kritik meist formal ist. „Profilierungssucht“ hat man ihm vorgeworfen, als „Nestbeschmutzer“ beschimpft. Dennoch ist Rehberg zufrieden, schließlich habe er auch viel Zustimmung erfahren und alle Versuche, die Diskussion bereits im Keim zu ersticken, seien gescheitert. „Mit Herrn Hinze“, so fügt er trotzig hinzu „habe ich eben einen Dissens.“ Der hat mittlerweile die ostdeutschen Parteichefs für Ende März zu einer Aussprache nach Berlin geladen.

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