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Traum, Kino, Dorf

■ „Das Aroma der Wünsche“ (Forum), ein Verwirrspiel von Sergej Schugarew

Ein alter Mann hat einen seltsamen Traum: ein weißgekleideter Mann schlägt einem Schlafenden den Kopf ab. Später ruht sich eine Karawane von Kamelhändlern irgendwo in der turkmenischen Steppe aus. Da kommt eine kleine Gruppe von drei Männern auf sie zu, von denen einer einen Stierkopf auf den Schultern trägt. Die anderen sind blind. Der Mann mit dem Stierkopf gibt sich als von Gott gesandt zu erkennen.

Die Bilder sind sehr grobkörnig und die Farben verwaschen, so daß es aussieht, als würde ein sehr alter Film gezeigt. Der Eindruck von Fremdheit wird noch dadurch verstärkt, daß die Bewegungen nicht in ihrem natürlichen Ablauf gezeigt werden, sondern so, als würde man die Bilder durchblättern. Dazwischen sieht man das Dorf, in dem der alte Mann lebt: Stein- und Lehmhäuser, dahinter kahle Berge und am frühen Morgen ein seltsames Licht. Die Sonne scheint, die Luft ist sehr klar, und dann schweben plötzlich gewaltige Nebelfetzen herab, die alles verhüllen.

Mein Wissen über Turkmenistan paßt auf eine halbe Briefmarke. Ich weiß nicht, ob der Traum des alten Mannes auf einer alten Legende beruht oder ob es so ein Licht in diesem Land wirklich gibt. Aber irgendwann versteht man die eigene Verwirrung. Es ist dieselbe Verwirrung, die die Bewohner dieses Dorfes empfinden. Sie sehen die Dinge nur von der anderen Seite. Ein molliger Junge aus dem Dorf hat sich in eine Schauspielerin verliebt, die er im Kino gesehen hat. Er kauft sich einen weißen Anzug und einen kecken Filzhut und einen wunderschön geschnitzten Stuhl. In dem sitzt er vor dem Spiegel und erfindet sich Szenen mit der Angebeteten. Das erscheint mir nicht ungewöhnlich. Seine Mutter jedoch hält ihn für komplett verrückt.

Der Traum, das Kino, die Dorfszenen – manchmal weiß man nicht mehr, in welcher Geschichte man gerade ist. Aber die Akteure und die Zuschauer werden ständig zwischen Fremdheit und Vertrautheit hin- und hergerissen. Nur daß eben jedem etwas anderes fremd oder vertraut ist. Lassen Sie sich nicht von der mystischen Legende abschrecken — am Schluß nimmt sie ein überraschend handfestes Ende. Anja Seeliger

„Das Aroma der Wünsche“. Turkmenistan 1995, 71 Min, Regie: Sergej Schugarew.

Sonntag, 25.2. um 18.30 Uhr im Kino 7, Zoo-Palast

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