: Ein Türmchen fürs Radio
■ Radio Bremen geht mit Fernsehen und UKW-Hörfunk auf den Telekom-Turm / Kommt die digitale Mittelwelle?
Schon in einem Jahr wird Radio Bremen seine Programme (Fernsehen und UKW-Hörfunk) nicht mehr von dem eigenen Sendeturm in Horn, sondern vom Telekom-Turm in Walle aus abstrahlen. Dies wurde dem Rundfunkrat am vergangenen Freitag offiziell mitgeteilt. Nach langem Tauziehen hat der Sender damit endgültig den Plan aufgegeben, einen eigenen Sendeturm in Oberneuland am Rande des Naturschutzgebietes Wümmewiesen aufzubauen.
Intendant Karl-Heinz Klostermeier bedauerte denn auch vor dem Rundfunkrat, daß damit nun „die Möglichkeit, die Reichweite für Hörfunk und Fernsehen deutlich auszuweiten, aufgegeben worden“ ist. Der neue Sendeturm sollte 300 Meter hoch werden, die bisherigen Sendeanlagen sind, wie die neuen auf dem Telekom-Turm, nur wenig über 200 Meter hoch. Radio Bremen wird in Walle seine eigenen Sendeanlagen installieren, um sein Ausnahmerecht vom Sendemonopol der Telekom nicht aufgeben zu müssen. Für die Nutzung des Turmes zahlt der Sender jährlich 542.000 Mark. Insgesamt wird er aber jährlich einige hunderttausend Mark weniger als bisher für die Sendetechnik ausgeben.
Daß an Technik und Personalkosten nicht mehr eingespart wird, hängt damit zusammen, daß Radio Bremen für die energieintensiven Mittelwellen-Frequenzen, die vom Telekom-Turm aus technischen Gründen nicht abgestrahlt werden können, einen – wenn auch kleineren – eigenen neuen, 43 Meter hohen Turm in Oberneuland bauen will. Investitionskosten: 2,4 Millionen Mark. Erst dann kann auch der alte Radio-Bremen-Sendeturm abgerissen werden (Kosten: 800.000 Mark), um Platz für eine Erweiterung des Gewerbegebietes Horn-Lehe zu machen.
Zwar werden Mittelwellen-Sender derzeit prakisch nicht gehört, das Verhältnis von regelmäßigen Nutzern allein zu den laufenden technischen Kosten würde einen Finanzbedarf von 1.000 Mark pro Hörer im Jahr ausmachen. Andere Rundfunkanstalten wie der WDR haben deswegen ganz auf die Mittelwellen-Frequenzen verzichtet. Da diese Frequenzen aber international vergeben werden, ist ein solcher Verzicht schwer rückgängig zu machen.
Klostermeier hat schon früher auf einen eigenen Sendeturm mit dem Argument beharrt, Radio Bremen dürfe auf keinen Fall seine Mittelwellen-Frequenzen abschalten und damit abgeben. Begründung war die Aussicht auf eine digitale Sendeform auf Mittelwelle. Mit gewisser Genugtuung hat Klostermeier nun dem Rundfunkrat einen Artikel der Süddeutschen Zeitung beigelegt, nach dem nun auch die Telekom die digitale Mittelwellen-Sendeform als denkbare Perspektive anerkannt hat.
Die digitalen UKW-Frequenzen, die sich in der technischen Vorbereitung befinden, haben zwar CD-Qualität aber eine geringe Reichweite von nur wenigen Kilometern und es wird auf absehbare Zeit nur wenige verfügbare Frequenzen geben. In Bremen vermutlich nur sechs. Würde dagegen ein bestehender Mittelwellen-Sender in digitaler Form abgestrahlt, wäre er in ganz Deutschland und teilweise sogar in Mitteleuropa zu hören sein – etwa in der bisherigen UKW-Qualität. Aufgrund der Reichweite würde um die wenigen freien Mittelwellen-Frequenzen europaweit der Konkurrenzkampf ausbrechen. Dies ist die Begründung dafür, daß Radio Bremen die Mittelwellen-Frequenzen, die derzeit oft als „Stromverschwendung“ kritisiert werden, für den möglichen Fall ockupiert hält, daß in einigen Jahren die Technik für die digitale Ausstrahlung zur Verfügung steht. Entscheidend wird sein, so erklärte Klostermeier dem Rundfunkrat, ob die Nutzer des Hörfunks die dafür erforderlichen besonderen Empfangsgeräte zu einem vertretbaren Preis kaufen können. Auch für die neuen Empfänger für digitale UKW-Frequenzen in CD-Qualität müssen die Hörer schon tief in die Tasche greifen. K.W.
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