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Reif für einen Löwen-Sieg

Nach dem sicheren 3:1 gegen Eintracht Frankfurt wittert 1860 schon den nächsten, etwas angefaulten Braten: die nachbarlichen Bayern  ■ Aus München Markus Götting

Das Spiel gegen die Frankfurter Eintracht war schon fast vorüber, da holte Werner Lorant, Trainer des TSV 1860 München, den Peter Nowak, seinen treuen Johannes, noch schnell vom Platz, und in der Nordkurve begann das Volk zu jubilieren und zu singen und den Nowak zu preisen, welcher in die Arme seines Übungsleiters sank und – Küßchen empfing. Das hatte man noch nicht erlebt an einem gewöhnlichen Bundesliga-Spieltag.

Es ist kein Zufall, daß sie Lorant in München den Löwendompteur rufen, denn mit Worten wie Peitschenhieben pflegt der Mann seinem Ensemble Beine zu machen, Aufmucken zwecklos, besser die Hacken zusammenknallen zu treuem Gehorsam. Es gibt aber auch Momente (derer man aber selten nur gewahr wird), da Lorant sich als pädagogischer Feingeist zeigt und beispielsweise den polnischen Nationalspieler Nowak, wertvollster Mitstreiter seines Teams, verdiente Ovationen empfangen läßt. Das hätte es im vergangenen Jahr noch nicht gegeben.

Vieles hat sich verändert bei Giesings Kickern. Das samstägliche 3:1 war nur mehr eine Pflichtnummer gegen eine Frankfurter Mannschaft, die in Ermangelung spielerischer Kultur hoffnungslos unterlegen war und außer Matthias Hagners Kopfballtor (47.) nur eine gute Einschußgelegenheit besaß. Die Sechziger hingegen hätten ohne weiteres auch fünf Treffer erzielen können, wenn Olaf Bodden bei seinen Versuchen mehr Glück gehabt hätte. War aber wurscht, weil Bernhard Trares (Lorant: „Der sollte gar nicht so weit vorn spielen“) Trainers Tagesbefehl ignorierte und zwei Tore (27., 44.) schoß. Harald Czerny dagegen tat wie ihm geheißen und traf zum 3:1 (86.), wurde mithin für seinen Fleiß belohnt, wie Lorant sagte.

Bei solch vorzüglicher Laune ward der Coach nicht oft gesehen, er parlierte von einem prächtigen Start ins Jahr mit drei Siegen hintereinander, und davon, daß die Eintracht nicht irgendwer sei, „sondern das ist eine gute Mannschaft, aber meine ist die bessere“. Darob Grinsen in Lorants Gesicht, Grölen aus der Fankneipe nebenan.

Ein neues Selbstbewußtsein haben sie auf Giesings Höhen entwickelt, tragen stolz den Titel des Deutschen Hallenmeisters im Namen und spielen seit einiger Zeit einen erstaunlich filigranen Fußball, welcher kaum erahnen läßt, daß sie noch vor gut 15 Monaten als rustikales Grätscher-Ensemble ligaweit gefürchtet wurden. Kein Spieler, sagt Präsident Karl-Heinz Wildmoser, habe zuvor solche Leistung gebracht wie unter Trainer Lorant, dem „Glücksfall für Sechzig“ (Wildmoser). Damit liegt er nicht ganz falsch, Teamkapitän Manfred Schwabl, den einstigen Mittelfeldmann des FC Bayern, einmal ausgeschlossen.

Aber all die Nowaks, Heldts und Brajkovics hat sich Lorant wie ein Schmied zurechtgebogen, hat den kroatischen Nationalverteidiger mitunter gar auf der Tribüne hocken lassen. Jetzt besitzt Elvis Brajkovic eine Wohnung in München, fortgeschrittene Kenntnisse der deutschen Sprache und erheblichen Trainingseifer; der Mann darf wieder spielen, nächste Woche im Derby sogar gegen Bayern- Stürmer Jürgen Klinsmann. Und Wildmoser sagt, „der Elvis kann noch mehr, der spielt erst 85 Prozent.“ Klinsmann wird Mühe haben.

Das „Wir kriegen euch alle“ tragen die Löwen zwar in ihren Herzen und Gedanken, aber nicht auf den Lippen, und noch mühen sie sich um gepflegtes Understatement. Bernhard Trares sagt, Tabellenplatz 7 sei eine verzerrte Sichtweise, weil das Klassement durcheinandergewirbelt wurde wegen der Spielausfälle, gleichwohl können die Sechziger derzeit nicht unter Rang 9 rutschen. Dennoch spricht Wildmoser von sechs Punkten, die noch benötigt würden, um den Abstieg zu vermeiden – gleichzeitig aber hat er den Verein für den UI-Cup gemeldet. Und das nicht nur rein prophylaktisch.

Zumindest was das kommende Wochenende und das Spiel gegen den FC Bayern angeht, wird die Rhetorik optimistischer, Wildmoser sagt, die Zeit sei reif für einen Löwen-Sieg. Das stimmt wohl: Der TSV ist gemäß seiner Hymne stark wie noch nie, und der FC Bayern schwächelt wöchentlich.

Eintracht Frankfurt: Köpke - Zelic - Rauffmann, Bindewald - Schupp, Dickhaut (34. Hagner), Binz, Komljenovic, Falkenmayer - Okocha, Ekström (73. Becker)

Zuschauer: 28.000; Tore: 1:0 Trares (27.), 2:0 Trares (44.), 2:1 Hagner (47.), 3:1 Cerny (86.)

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