Kampf um premiere

■ Der Abosender will Pilotprojekte beim Digitalfernsehen mit Bertelsmann-Decoder starten, Kirch protestiert heftig

Seit sich Bertelsmann und Kirch darum streiten, wessen Decoder das digitale Fernsehen eröffnen soll, sitzt der Abosender premiere zwischen den Stühlen. Er gehört nämlich zu 75 Prozent Bertelsmann und seinem französischen Verbündeten Canal+, das restliche Viertel besitzt Leo Kirch. Wichtige Entscheidungen müssen die Gesellschafter einstimmig treffen.

Dennoch war sich der zuständige Bertelsmann-Vorstand Thomas Middelhoff schon im Herbst sicher, als die taz ihn danach fragte: „Mehrheit ist Mehrheit. Sie können sich darauf verlassen, daß wir uns bei premiere mit unserem Decoder durchsetzen. Von mir aus können sich die Gerichte dann noch eine Weile damit beschäftigen.“

Jetzt ist es soweit. Ende letzter Woche hat premiere-Geschäftsführer Bernd Kundrun bekanntgegeben, er werde zunächst „ein paar hundert“ Decoder des Seca-Systems von Bertelsmann und Canal+ einsetzen, ab März bei einem Betriebsversuch und ab Sommer bei digitalen Pilotprojekten in Hamburg, Berlin und Bayern.

Gegenüber epd sagte Kundrun, das sei „noch keine endgültige Systementscheidung“ – und begründete so, warum er die Zustimmung der Gesellschafter gar nicht brauche. Man habe einfach den einzigen konkret angebotenen Decoder gewählt, um die digitale Technik rechtzeitig einzuüben. Trotz dieser geschickten Rechtfertigung brauchte die Kirch-Gruppe ihre Nase nicht besonders anzustrengen, um den Bertelsmann-Braten zu riechen, sie protestierte postwendend: Man werde es „nicht zulassen“, daß premiere einseitig die Interessen der anderen Gesellschafter vertrete.

Allerdings hatte Kirch die Soloentscheidung selber provoziert. Zu den letzten Sitzungen der Multimedia Betriebsgesellschaft (MMBG), die sich eigentlich auf einen gemeinsamen Decoder einigen wollte, hatte der Münchner niemanden hingeschickt. Angeblich, weil man ihn zuwenig über die Details des Konkurrenzdecoders informiert hatte.

Die anderen MMBG-Teilnehmer dagegen witterten längst eine Verzögerungstaktik des Konkurrenten, der einen Zeitvorsprung für seinen eigenen Decoder gewinnen wolle. Die MMBG nun hat letzten Donnerstag beschlossen, endlich loszulegen: Nach Informationen des Branchenblattes text intern hat sie schon für heute und morgen fünf Firmen nach Darmstadt eingeladen, um den Auftrag für die Produktion der ersten Decoder zu vergeben. MR