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■ Nebensachen aus MadridDer Kandidat der spanischen Haushaltsmuffel

Pünktlich zur Wahlkampfzeit tauchen sie wieder auf, die Prominentenfragebögen und Blitzinterviews. Das „Antworten Sie schnell, ohne lange nachzudenken“ ist ein gefährliches, weil verräterisches Spiel. Nur eine Woche vor dem Urnengang, aus dem er nach Umfragen als Sieger hervorgehen wird, hat es jetzt Spaniens Oppositionsführer José María Aznar erwischt.

„Wissen Sie, was ihre Haushaltshilfe verdient?“, überraschten die Interviewer der Zeitschrift Tiempo den Chef der Partido Popular (PP). „Nein“, mußte er eingestehen. „In was investieren Sie ihre Ersparnisse?“ und schon der nächste Patzer: „Darum kümmert sich meine Frau.“ Seine Lieblingsbeschäftigung liegt auf einem anderen Gebiet, der Arbeit. Denn an einem Mann schätzt er das „Verantwortungsbewußtsein“, an einer Frau, „daß sie weiß, Frau zu sein“. Wenn ihn nur seine Frau Ana Botella nicht „gelegentlich ausschimpfen“ würde. Denn er ist familiär eingestellt. So wäre das größte Unglück für Aznar, „wenn meinen Kindern was passieren würde“. Obwohl sich seine Frau schon um drei Bälger kümmert, könnte er sich vorstellen, eines dieser armen chinesischen Würmer aus der BBC-Reportage zu adoptieren. „Wenn ich nur Zeit hätte.“

Der PP-Chef liegt voll im Trend, wie eine Umfrage des staatlichen Meinungsforschungszentrums CIS über Wertevorstellungen und Alltagsverhalten zeigt. Der höchste Wert der Spanier auf einer Skala von eins bis zehn: die Familie mit 9,37, gefolgt von Arbeit mit 7,95 und Geld mit 7,78. 81 Prozent würden für die Familie gar ihr Leben lassen – um einen in Not geratenen Mitmenschen zu retten, nur 52 Prozent. Soviel Familie schlägt sich vielleicht in häuslichen Tugenden nieder. Weit gefehlt. 79,7 Prozent aller verheirateten Spanierinnen teilen das Schicksal von Ana Botella. Ihr Gatte hilft zu Hause nicht. Vielleicht deshalb antwortet Aznar auf die Frage „In welchem Land würden Sie gerne leben?“ mit „Spanien“. Wer fühlt sich nicht am wohlsten unter seinesgleichen? Und in Europa sind nur die Iren noch größere Haushaltsmuffel. Aber mit seinem „leidlichen Englisch“, ginge es dem Konservativen dort gewiß nicht gut.

Der Kandidat als Spiegel der Gesellschaft – oder doch lieber als gutes Vorbild? Warum nicht. Es ist nie zu spät für einen Wandel. Und mit der Lebensweisheit: „Wenn du dich genug anstrengst, kannst du jedes Ziel erreichen“, sind alle Voraussetzungen gegeben. Mit „Gelassenheit“ ans Werk und es wird schon werden. Allzu schwer dürfte es nicht sein, denn das Leibgericht des Mannes, der schon bald Spanien regieren könnte, ist „Reis“. Reiner Wandler

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