Startschuß zur Wahlschlacht

■ Italiens Premier gründet Partei / KPler bringen 200.000 Menschen auf die Straße

Rom (taz) – Noch sind es fast zwei Monate bis zur Öffnung der italienischen Wahllokale, doch schon ist der Kampf um die Macht in seine erste heiße Phase geraten: Denn noch nie mußten sich die Parteien so um die wenigen Hoffnungsträger der Nation raufen wie dieses Mal.

Neben dem ehemaligen Antikorruptionsermittler Antonio di Pietro, dessen kürzlicher Freispruch von skurrilen Anklagen wegen Amtsmißbrauch seine Kandidatur doch noch ermöglichen könnte, steht vor allem der geschäftsführende Regierungschef Lamberto Dini im Mittelpunkt des Gezerres. Seit der bisher Parteilose – dem nach Umfragen mittlerweile immerhin 60 Prozent der Italiener ihr Vertrauen bekunden – am Wochenende die Gründung einer eigenen Formation angekündigt hat, erhitzen sich die Gemüter auf allen Seiten.

Triumphierend verkünden Mitglieder der Mitte-Links-Allianz „Die Olive“ (aus Links-Demokraten, ehemaligen Christdemokraten, Sozialisten, Republikanern und – vielleicht – Grünen), Dini werde sich unter ihrem „Dach“ einfinden. Auf der anderen Seite hofft aber auch der derzeit nur mäßig angesehene ehemalige Ministerpräsdient Silvio Berlusconi (Forza Italia) seinen ehemaligen Schatzminister noch zu sich herüberziehen zu können.

Die Neofaschisten, die Dini sowieso für einen Verräter halten, weil er sich 1995 nach dem Sturz der Rechtsallianz von einer linken Mehrheit hatte stützen lassen, haben Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro zur Amtsenthebung Lamberto Dinis aufgefordert: Der Mann könne, nun da er selbst kandidiere, während des Wahlkampfes nicht die notwendige Neutralität wahren. Diese ist allerdings auch nirgendwo vorgeschrieben.

Vorbehalte gegen Dini kommen allerdings auch von ganz links: Die Rifondazione comunista, deren Unterstützung für einen Erfolg von Mitte-Links entscheidend sein könnte, will den bisherigen Regierungschef auf keinen Fall akzeptieren. Ihrer Ansicht nach hat er eine durch und durch arbeiterfeindliche Politik betrieben.

Daß die KP-Nostalgiker tatsächlich eine große Rolle spielen könnten, zeigten sie am Samstag: Bei einer Großdemonstration gegen die Absichten sowohl der Rechten als auch der Linksdemokraten zur Einführung einer autoritäreren Verfassungsstruktur nach dem Vorbild der französischen Präsidialrepublik, brachten sie in Rom mehr als 200.000 Menschen auf die Straße. Werner Raith