: Befreiungstheologe Boff setzt auf grünen Wandel
■ Christlich-jüdische Tradition der Naturbeherrschung sei zerstörerisch
Rio de Janeiro (dpa) – Machtversessen, konservativ, engstirnig – vor einem Jahrzehnt erzürnte Leonardo Boff den Vatikan mit seinen Thesen über die katholische Kirchenführung. Vom Vatikan mit einem Sprech- und Publikationsverbot bestraft, gab der Franziskanerpater aus Brasilien 1991 den Kampf für eine „Kirche von unten“ auf: Er kehrte der Amtskirche den Rücken und ließ sich in den Laienstand versetzen.
Heute ist Leonardo Boff, der zu Beginn der sechziger Jahre mit dem Peruaner Gustavo Gutiérrez die „Theologie der Befreiung“ begründete, zum Befreiungsökologen geworden.
Im Mittelpunkt steht für den einstigen Schüler des renommierten deutschen Theologen Karl Rahner (1904–1984) nicht mehr der Kampf gegen Unterdrückung in der Dritten Welt, der Aufbau von Basisgemeinden und einer demokratischen Kirche. „Wir müssen lernen, daß mit der Logik, mit der soziale Klassen unterdrückt und Nationen und Völker ausgebeutet werden, auch die Natur vernichtet und ganze Landstriche gefährdet werden“, sagt Boff heute.
„Der Schrei der Erde, der Schrei der Armen“, heißt das neue Buch des heute 57jährigen Theologen. Am Beispiel des Amazonas- Regenwaldes will Boff aufzeigen, wie massive Investitionen das labile Gleichgewicht von Mensch, Natur und Tier gefährden. „Für die Kehrseite dieses Entwicklungsmodells stehen der heilige Franz von Assisi und die primitiven Völker von Süd- und Nordamerika, die in mystischer Verbindung mit Mutter Erde die neuen Technologien nur im Einklang mit ihr übernehmen“, beschreibt Boff seinen Gegenentwurf zur globalen Wegwerfgesellschaft.
Boff fordert einen Wandel des Bewußtseins. „Es sind jene mentale Strukturen aus der christlich- jüdischen Tradition, mit der sich der Mensch die Natur unterwirft. Das biblische Gebot ,Wachset und mehret euch, beherrscht die Tiere, die Vögel und die Fische‘ ist nach heutiger Sicht unökologisch.“ Und die Kirche – sie sei „ein Betriebsunfall des Okzidents“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen