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Soccer als rauschende Party

Im April startet in den USA die lange geplante Fußball-Profiliga mit einigen internationalen Stars und einer umfangreichen Laienspielschar  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Eine geeignete Jahreszeit für die Etablierung einer neuen Profiliga in den USA zu finden, ist gar nicht so einfach. Der Sommer gehört dem Baseball, der Winter dem American Football, der Frühling dem Basketball und dem Eishockey. Die Organisatoren der neuen Major League Soccer (MLS) entschieden sich dafür, vorzugsweise mit den „boys of summer“ zu konkurrieren, den Baseballspielern, was natürlich in erster Linie klimatische Gründe hat. Die Saison startet am 6. April im kalifornischen San Jose, das Finale findet am 20. Oktober in Washington oder Boston statt.

Die Einrichtung einer Profiliga war eine der Bedingungen der FIFA für die Vergabe der Weltmeisterschaft 1994 in die USA. Eigentlich sollte der Spielbetrieb bereits im letzten Jahr beginnen, doch WM-Chef und MLS-Präsident Alan Rothenberg gelang es bis dahin nicht, die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Die Verzögerung macht die Sache nicht einfacher, denn die während der WM ohne Zweifel geweckte Begeisterung der US-Bevölkerung für das merkwürdige Spiel aus Europa ist längst wieder verebbt, auch wenn Fußball in den Schulen ein gern geübter Sport ist. So muß sich die MLS hauptsächlich auf die traditionell fußballbegeisterten Bürger lateinamerikanischer oder italienischer Abstammung stützen. Starspieler aus diesen Ländern sollen das Publikum ins Stadion locken, außerdem wurde natürlich versucht, die Nationalspieler des US-Teams zurück in die Heimat zu locken, die vor allem beim mit 0:1 verlorenen WM-Achtelfinale gegen Brasilien einen immensen Sympathieschub erfahren hatten.

Rothenberg ist trotz der vielen Probleme zuversichtlich, wie es sich für einen waschechten Manager aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten gehört. Einer „rauschenden Party“ soll die „ehrgeizigste Profiliga, die man in den USA je gesehen hat“, gleichen, „das Produkt Soccer“, davon ist der MLS-Boss überzeugt, „verkauft sich von allein“. Tatsächlich haben Sponsoren bereits 75 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt, der Kabelsender ESPN überträgt 35 Saisonspiele live – ohne Werbepausen. Das Finale – welches, anders als im US-Profisport üblich, nur mit einem einzigen Spiel entschieden wird – flimmert sogar bei ABC über die Mattscheiben.

Zehn Teams spielen während der regulären Saison in zwei Gruppen gegeneinander, die ersten beiden erreichen jeweils das Play-off- Halbfinale, das im „Best of three“- Modus ausgetragen wird. Klangvolle Namen und hübsche Logos sind natürlich Pflicht, schließlich will man ordentlich Trikots, Maskottchen und andere Merchandising-Highlights unter die Leute bringen. Die Mannschaften im Westen sind die Colorado Rapids, Dallas Burn, Kansas City Wiz, Los Angeles Galaxy und San Jose Clash, im Osten kicken New England Revolution, Columbus Crew, Tampa Bay Mutiny, New York/New Jersey MetroStars und Washington D.C. United. Rothenberg rechnet mit 10.000 bis 12.000 Zuschauern im Durchschnitt.

Ein großes Problem war natürlich die Spielerbeschaffung, zumal es auch im Soccer die berüchtigte, von den Profis der anderen Sportarten heftig bekämpfte „salary cap“ gibt. Das Gehaltslimit in der MLS ist pro Klub auf umgerechnet 1,75 Millionen Mark festgelegt, mehr als 400.000 Mark im Jahr sind auch für Spitzenstars nicht drin. Viel zuwenig, um Akteure der Weltklasse anzulocken. Daß dennoch einige große Namen in den Kadern der MLS auftauchen, liegt daran, daß private Sponsoren ihr Gehalt nicht unerheblich aufbessern: Carlos Valderrama (Tampa Bay), Roberto Donadoni (New York/New Jersey), Hugo Sánchez (Dallas), Mexikos Torwart Jorge Campos (Los Angeles) oder Marco „Diablo“ Etcheverry aus Bolivien konnten auf diese Weise verpflichtet werden.

Ansonsten wurde Vizepräsident Sunil Gulati, der auf der Suche nach namhaften Fußballern die ganze Welt bereiste, vor allem in Afrika und Südamerika fündig. „In Ländern wie Deutschland, Spanien, Italien oder England habe ich mich gar nicht erst groß umgesehen“, sagt Gulati, „ich habe nach Billigangeboten gesucht und auch ein paar gefunden.“ Die nigerianischen WM-Spieler Uche Okafor und Michael Emenalo gehören ebenso dazu wie Washington Rodriguez aus Uruguay, Vitals Takawira aus Simbabwe (1994 Afrikas bester Torschütze), Marokkos Keeper Khalil Azmi oder Kameruns Samuiel Ekeme. Die Topspieler wurden einzelnen MLS-Teams zugewiesen, das Gros der Akteure, die in den USA sogar per Zeitungsanzeigen gesucht wurden, wird, wie in den anderen Profiligen, per Draft verteilt, dessen erster Teil Anfang Februar vonstatten ging.

Eifrig bestrebt war man, die im Ausland tätigen Nationalspieler zurückzuholen. Alexi Lalas (New England), Eric Wynalda (San Jose), Tab Ramos, Tony Meola (beide New York/New Jersey), John Harkes (Washington), Mike Sorber (Kansas), Roy Wegerle, Marcelo Balboa (beide Colorado) erwiesen sich als gute Patrioten, andere, wie Tom Dooley (Schalke), Claudio Reyna (Leverkusen) oder Paul Caligiuri (St. Pauli), möchten lieber in Europa ausharren. „Verbessern kann ich mich nur, wenn ich in Deutschland bleibe“, sagt Reyna, das unbestritten größte Talent des US-Fußballs.

Was die Leistungsstärke der neuen Liga betrifft, gehen die Meinungen auseinander. Die größte Euphorie legt der ebenso forsche wie mediengewandte Alexi Lalas an den Tag: „Es wird nicht lange dauern, und die Spielqualität und Attraktivität unserer Liga braucht sich vor keinem Land zu verstecken.“ Tab Ramos sieht die Sache nüchterner: „Das Niveau unserer Liga wird wohl dem der ersten bulgarischen Division gleichen.“ Und auch Eric Wynalda sprüht nicht gerade vor Optimismus. „Mit diesem Team können wir sogar Bochum schlagen“, urteilt er über seinen neuen Klub San Jose Clash. Bescheidener kann man das Projekt Major League Soccer kaum in Worte fassen.

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