: In der linksradikalen Szene ist die AIZ heute völlig isoliert
■ Der ehemalige RAF-Ableger hat sich inzwischen den islamistischen Bewegungen zugewandt
Isoliert im Untergrund: Mit ihrem letzten Bekennerschreiben katapultierte sich die „Antiimperialistische Zelle“ (AIZ) vollends aus dem linksradikalen Spektrum der Bundesrepublik. Nach dem Sprengstoffanschlag auf das peruanische Honorarkonsulat in der Düsseldorfer Innenstadt am 23. Dezember vergangenen Jahres schrieb die AIZ: „In den letzten Jahren haben wir erfahren, wie in revolutionär-islamischen Gruppen die Schwestern und Brüder ihr Leben für die gerechte Sache einsetzen. Das heißt, wir haben den Islam als revolutionäre Waffe in voller Schärfe und Schönheit kennenlernen dürfen.“
Eine Antwort kam umgehend. Zwei Wochen später reagierte etwa die Berliner Autonomenzeitschrift Interim: „Auch wir wissen, daß es egalitäre Bewegungen auf der Basis des Islam gegeben hat. Die iranische Revolution, die ihr immer wieder anführt, mag dafür ein Beispiel sein. Aber sie steht auch dafür, wie eine revolutionäre Massenbewegung in ihrem eigenen Blut ertränkt wurde und in einer religiös-konservativen Mullah- Diktatur endete.“ Wie emanzipatorisch ist der islamische Widerstand tatsächlich, fragten die unbekannten Autoren, und schoben nach: „Aus diesem Grund wollen wir eure Erklärungen vorerst nicht mehr abdrucken.“
Aber schon vor der jüngsten Hinwendung zum Islam übten Linksradikale verschiedenster Couleur heftige Kritik an der Antiimperialistischen Zelle. Nach einem Sprengstoffanschlag auf das Haus des früheren Staatssekretärs Volkmar Köhler in Wolfsburg am 22. Januar 1995 hatte die AIZ verkündet: „Es ist von uns bewußt gesetzt, daß zur Erzeugung von politischem Druck an den Orten, wo wir Aktionen durchführen, räumlich und zeitlich begrenzt eine potentiell tödliche Bedrohung entsteht.“ Dem hielt anschließend eine „Gruppe Barbara Kistler“ (benannt nach einer Schweizerin, die von der türkischen Armee in Kurdistan getötet wurde) entgegen: „Eine ,Der Zweck heiligt die Mittel‘-Skrupellosigkeit lehnen wir ab.“ Die Gruppe hatte selbst vor der letzten Bundestagswahl einen Anschlag auf die Kreisgeschäftsstelle der CDU im nordrhein-westfälischen Siegburg verübt, der fälschlich der AIZ zugerechnet wurde. „Gezielte Angriffe auf Personen“, schrieb die Gruppe aber weiter, „kommen für uns bei den derzeitigen Bedingungen in der BRD nicht in Frage.“ Abschließend urteilte die „Gruppe Kistler“: „Die AIZ erfüllt keines der Kriterien, an denen wir revolutionäre Gruppen messen. Daher können wir sie nur auffordern, ihr Projekt aufzulösen.“
Die Geburtsstunde der AIZ war der April 1992. Damals veröffentlichte die Rote Armee Fraktion überraschend ihre „Deeskalationserklärung“, in der sie den Verzicht auf weitere Attentate ankündigte. Unmittelbar danach tauchte erstmals der Name „Antiimperialistische Zelle“ auf. Zusammengestückelt aus alten RAF-Zitaten und einigen neuen Parolen, verlangte die AIZ auf einem DIN-A 4 großen Flugblatt, der bewaffnete Kampf müsse fortgesetzt werden. Einen Monat später erging sich die AIZ in einer ersten fünfseitigen Erklärung. Daß man diese ernst nehmen mußte, machte die Truppe ein halbes Jahr später mit einem Anschlag auf das Rechtshaus der Universität in Hamburg klar.
Der ideologische Bezug der AIZ auf die frühe Rote Armee Fraktion wurde von Anschlag zu Anschlag geringer. Am Ende tauchten in den Bekennerschreiben die Buchstaben RAF gar nicht mehr auf. Im Gegenzug erfolgte eine Hinwendung zur kurdischen Arbeiterpartei PKK, zum libyschen Staatschef Gaddafi und zu marokkanischen Widerstandsbewegungen, schließlich über die palästinensische Intifada zu islamistischen Gruppierungen. So urteilt die AIZ denn auch in der letzten Erklärung mit Blick auf die heimische radikale Szene: „Wir müssen leider feststellen, außerordentlich viele haben sich dahin zurückgezogen, was sie ihr Privatleben nennen.“ Der „Drive“ unter den Militanten sei dahin, die Szene von Spitzeln durchsetzt, auch werde die internationale Rolle der Bundesrepublik „kaum erfaßt, geschweige denn thematisiert“.
Das Bekenntnis der AIZ zum Islam ist wohl eher Ausdruck der eigenen Isolation. So heißt es am Ende der vorerst letzten Erklärung: „Die Antiimperialistische Zelle wird in Zukunft ihre Aktivitäten verstärkt in den Zusammenhang derjenigen stellen, die in militanter Form auf revolutionär-islamischer Grundlage den Imperialismus herausfordern.“ Das macht die Anschläge aber nicht weniger gefährlich. Wolfgang Gast
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