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Der vierfache Travolta

■ Die Mafia-Komödie Schnappt Shorty spielt mit den Bezügen

Filme, die auf ihre Art vom Kino oder Filmemachen selbst handeln, haben derzeit Hochkonjunktur. „Postklassisches Kino“ heißt der Begriff, zu dem die laufenden Auseinandersetzungen mit diesem gleichwohl schon etwas älteren Phänomen zuletzt führten – und ein Ende dieser Diskussionen ist nicht in Sicht.

Im Gegenteil, denn auch Barry Sonnenfelds Get Shorty ist ein Film über Kino. Darin versucht ein charismatischer Geldeintreiber aus Miami, der Kleingangster Chili Palmer (John Travolta), aus seiner Liebe zum Kino Geld zu machen. Mit einem seiner Fälle, dem gescheiterten B-Movie-Produzenten Harry Zimm (Gene Hackman) und dessen Star Karen Flores (Rene Russo), will er in L.A. seine Idee für einen Film realisieren. Dabei sind ihm jedoch ein Drogenhändler und sein cholerischer Mafiaboß Ray Barbone im Weg, den er um etliche hunderttausend Dollar betrogen hat. Eben dieser zweite Handlungsstrang von Get Shorty ist auch der Stoff, aus dem Chili Palmer am Ende seinen Film drehen wird.

Mit dieser traditionsreichen Verknüpfung von Gangstertum und Showbiz hat Sonnenfeld seiner Komödie einen unendlichen Spielraum an Parodien, Zitaten oder Reminiszenzen eröffnet, der bis zu den 30er Jahren zurückreicht.

Da erweist sich der Verlierer Harry Zimm als ein vollbärtiger Ed Wood der 70er, dessen größter Erfolg Bride of the Mutant lautet. Und die aus dem Gangsterfilmgenre entlehnten, überzeichneten Figuren wie Ray Barbone werden von Palmer gleich selbst als „Gestalten aus Robert DeNiro- oder Al Pacino-Filmen“ definiert.

Allein über unsere Kino-Vergangenheit, den Meta-Suspense unserer Kino-Erfahrungen, entwickelt sich der Großteil der Komik in Get Shorty. Vor allem John Travolta spielt mit seinem eigenen Mega-Star-Status so offensichtlich, daß aus der dreifachen Ebene dieses Films eine amüsantere vierte erwächst: Zu dem Travolta, der einen Gangster spielt, der einen Filmproduzenten spielt, gehört hier auch noch der Travolta, der den Star Travolta selbst verkörpert.

Immer wieder wird dessen cha-rismatische Ausstrahlung, der Bannstrahl seiner blauen Augen, selbst zum Thema – „Sieh mich an!“, lautet sein Standard-Satz. Schließlich darf Travolta auch noch persönlich die Macht seines Blicks bescheiden mit „Ich besitze dich!“ umschreiben. In Get Shorty ist das Plagiat – von der Filmmusik bis zu Harry Zimm, der am Ende selbst Chili Palmer imitiert, – immer schon als Methode ausgestellt. Wir sehen einen Film, der ein Film sein könnte, weil er uns an frühere Filme erinnert. Jan DistelmeyerAlabama, Autokino, Blankenese, City, Hansa, Neues Cinema, Palette, Studio, Zeise

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