: „An der PKK kommt man nicht vorbei“
■ Verfassungsschutz kritisiert Innensenator: Vor Hevalti-Verbot wurde keinerlei Rat eingeholt
Als Innensenator Ralf Borttscheller im November das Verbot des Vereins Hevalti aussprach, dessen Räume durchsuchen, Unterlagen und Vermögen beschlagnahmen ließ, begründete er diese Maßnahmen durch „umfangreiche Ermittlungen mit mehr als einem Jahr Vorlauf“. Woher er seine Erkenntnisse hat, mag dahingestellt bleiben. Fest steht nur: Vom Verfassungsschutz hat er sie nicht.
„Wir sind nie gefragt worden“, erklärte am Dienstagabend Lothar Jachmann, stellvertretender Leiter des Amtes für Verfassungsschutz. Der Verfassungsschutz habe nie zu Verboten geraten, denn „diese verbösern meist die Lage“. Leider könne der Verfassungsschutz die Politik nicht steuern, sondern bestenfalls beraten. Dazu aber gehöre ein gewisser Wille zur Beratung, und den habe der Innensenator nicht gezeigt. Anders als dieser hätte Jachmann auch gegen eine Wiederholung jener Veranstaltung nichts einzuwenden, bei der sich am 17.11.95 in den Räumen der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) unter anderem VertreterInnen des kurdischen Exilparlamentes trafen. „Völlig unbedenklich“, kommentierte Jachmann. Borttscheller hingegen hatte aus diesem Treffen einen anderen Schluß gezogen: „Die Sympathisantenszene der terroristischen PKK reicht bis in die Führungsebene der Kirchenleitung.“
„Ausgesprochen töricht“ nannte BEK-Sprecher Louis von Zobeltitz am Dienstagabend die Reaktion des Innensenators. Doch angesichts der Flüchtlinge im Kirchenasyl, die von Borttschellers Entscheidungen abhängig sind, wollte Zobeltitz „hier kein Öl ins Feuer gießen.“ Klare Worte fand die Ausländerbeauftragte Dagmar Lill: „Solche Äußerungen sind angebracht, die Fremdenfeindlichkeit zu schüren“, rügte sie den Innensenator nachträglich. Die neue Vereinsgründung, die unmittelbar nach dem Verbot unter dem Vorsitz eines Pastors und Bürgerschaftsabgeordneten der SPD, AfB und Grünen zustandegekommen war, sei eine gute Lösung, die als „Bremer Modell“ auch andernorts Vorbildcharakter haben könnte.
Um zu einem dauerhaften Frieden zwischen der türkischen und kurdischen Bevölkerung beizutragen, muß man mit der PKK in den Dialog treten, lautete das Resumée der Veranstaltung, zu der die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer JuristInnen (ASJ) am Dienstag abend geladen hatten. „Politik – Kurden – Kirche (PKK)“ lautete das Thema, über das Jachmann, Lill und Zobeltitz vor gut hundert Menschen referierten. Einig waren sich alle: Der Krieg, in dessen Verlauf die türkische Regierung mehr als 3.000 kurdische Dörfer vernichten ließ, muß so schnell wie möglich beendet werden.
„Keine der beiden Seiten kann gewinnen“, meinte Lothar Jachmann. Unzweifelhaft sei, daß die türkische Regierung dabei wirtschaftliche und militärische Hilfe aus der BRD erhalte. „Daß da NVA-Material im Südosten eingesetzt wurde, ist wohl mittlerweile unbestritten.“ Andererseits bezeichnete er auch die PKK als „außerordentlich gewalttätig“ und erinnerte daran, daß dem am 15.12.95 von PKK-Chef Öcalan verkündeten Waffenstillstandsangebot bereits neue Drohungen gefolgt sind.
„Wir müssen mit der PKK reden, mit wem denn sonst“, beschrieb Zobeltitz das Dilemma all derer, die jeglicher Gewalt abschwören. „Wir kommen an der PKK nicht vorbei“, meinte auch Dagmar Lill. Die dauernde Gleichsetzung von kurdisch gleich PKK gleich Terrorismus müsse endlich aufhören. Eine kurdische Zuhörerin: „Wir haben kein Problem mit der PKK, wir haben ein Problem mit Kurdistan.“
dah
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