Sanssouci: Vorschlag
■ The Cakekitchens und Mountain Goats auf der Insel
Düster und dissonant: The Cakekitchen Foto: promo
Wenn heute abend die Mountain Goats auf der Insel der Jugend ihre verstimmten Wandergitarren auspacken und auf der Bühne Lagerfeueratmosphäre verbreiten, sind Sinn für obskuren Humor und zumindest rudimentäre Kenntnisse der Altertumsgeschichte nur von Vorteil. Schließlich ist College-Student und Oberbergziege John Darnielle nicht nur ein verspäteter Soulbrother Robert Zimmermanns, sondern auch praktizierender Katholik und bekennender Altphilologe. Was (mit freundlicher Unterstützung des aus Rosanne, Rachel, Amy und Sarah bestehenden Bright Mountain-Chors) aus dieser haarsträubenden Kombination entstehen kann, läßt sich seit 1992 auf den Tapes aus dem Hause Shrimper verfolgen und liegt trotz Independent-Ethos inzwischen auch auf einigen Silberscheiben vor. Das aktuelle Epos „Sweden“ glänzt wie seine Vorgänger „Zopilote Machine“ und „Beautiful Rat Sunset“ wieder durch minimalistische Instrumentierung und komplett surreale Songtitel: Der „Neon Orange Glimmer Song“ trifft auf eine „Cold Milk Bottle“, und die Begegnung zwischen dem „Tahitian Ambrosia Maker“ und dem „Tollund Man“ wird von zwei Songs aus der „Going to...“-Serie eingerahmt – diesmal geht's nach Queens und Bolivien.
Dabei wäre „Going to New Zealand“ ebenfalls keine schlechte Idee gewesen, denn von dort kommen The Cakekitchen, die auf dieser Tour den Notwist-Drummer Markus Acher im Gepäck haben. Auch hinter dieser Band steckt ein kluger Kopf: Graeme Jeffries, der mit seinem Bruder Peter zu Beginn der achtziger Jahre die Nocturnal Projections gründete und später als This Kind of Punishment Musikgeschichte schrieb. Bereits die Albumtitel verraten, welche Stimmungslagen hier verhandelt werden: „Far from the Sun“ oder „The Devil and the Deep Blue Sea“ versammeln düstere Balladen, deren Dramatik aus dem kalkulierten Spiel mit Dissonanzen entsteht. Konstant fünf Meter neben jeder Spur entwickelt Jeffries damit eine Eigenständigkeit, die hierzulande noch ihrer Entdeckung harrt. So wäre es kein Wunder, wenn sich wieder nur die übliche Handvoll unentwegter Freundinnen und Freunde seltsamer Klänge auf den Weg zu diesem Konzert machte – was schade wäre. Gunnar Lützow
Heute, 21 Uhr, Insel der Jugend, Alt-Treptow 6
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