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Posse um Plauderei und ein Putsch im Parlament

■ Warum ein Polizist und Volksvertreter nicht den Verfassungsschutz kontrollieren darf

Ist ein Polizeihauptkommissar nicht vertrauenswürdig genug, um den Verfassungsschutz zu kontrollieren? Offenbar ja, sofern er für die GAL in der Bürgerschaft sitzt und Manfred Mahr heißt. Zum fünften Mal wurde am Mittwoch abend der Kritische Polizist und rechtspolitische Sprecher der GAL nicht in die Parlamentarische Kontrollkommission gewählt (taz berichtete).

Gestern wurde ein Versuch der Bürgerschaft, aus der Posse einen Putsch zu machen, vertagt. Abweichend von der Geschäftsordnung sollte, so ein „spontaner“ SPD-Antrag, den Grünen ihr Recht auf den einen Sitz in der Kontrollkommission zugunsten der CDU entzogen werden. Nach Beratung im Ältestenrat des Parlaments zog die SPD den Antrag vorerst zurück. Er soll bei der nächsten Sitzung der Bürgerschaft in sechs Wochen erneut eingebracht werden.

Die Posse um die politische Abstrafung des notorischen Polizeikritikers begann bereits vor neun Monaten: Obwohl jede Partei ein Benennungsrecht für den Kontrollausschuß hat, und es der parlamentarischen Sitte entspricht, die Kandidaten der jeweils anderen Parteien mitzuwählen, ließ man Mahr durchfallen. Seitdem kann der unvollständige Ausschuß nicht arbeiten. „Wir hatten beim CDU-Hardliner Karl-Heinz Ehlers auch Bauchschmerzen und haben es trotzdem gemacht“, so GAL-Chef Willfried Maier damals.

Zur Begründung heißt es, Mahr sei nicht „vertrauenswürdig“, weil er im vorigen Jahr Protokolle der „Abhöraffäre“ an die Presse weitergeben hätte. Das geschah zwar mit dem Einverständnis der bespitzelten Personen, allerdings sehr zum Mißfallen derer, die diese Protokolle unerlaubterweise aufbewahrt und auch noch an Dritte weitergegeben hatten. Außerdem, argumentiert die GAL, sitzt Manfred Mahr bereits im „G-10-Ausschuß“, zuständig für Eingriffe ins Post- und Fernmeldegeheimnis. Und dort finden die eigentlich brisanten Geschichten statt.

„Das Parlament kann nur eine Person ausschließen, die nicht integer ist“, so Maier. Das sei bei Mahr nicht der Fall. So ist beispielsweise das, was der GALier an vertraulichen Informationen weitergegeben hat, im Prinzip nichts anderes als das, was CDU-Fraktionschef Ole von Beust vor einem Jahr an die Bild-„Zeitung“ ausplauderte. Der verriet er die „streng vertrauliche Information“, daß die Hafenstraße laut Verfassungsschutz ein „Terroristennest“ sei. Gewußt haben kann der CDUler das aber nur aus den entsprechenden Ausschüssen ...

„Das ist die kleine Rache derer, die sich im PUA Polizei an den kritischen Äußerungen von Manfred Mahr reiben“, vermutet Maier. Und: „Wir sind die einzigen, die überhaupt im Verdacht stehen, den Verfassungsschuß kontrollieren zu wollen.“ Die Spiegelbildlichkeit der Ausschüsse – alle parlamentarischen Gruppierungen müssen vertreten sein – sei eine „verfassungsrechtliche Regelung“, die höher stehe als das Abstimmungsrecht der Abgeordneten.

Ob diese das auch so sehen, wird sich in sechs Wochen zeigen.

Silke Mertins

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