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KaDeO – mach uns froh!

Bei der Eröffnung der Galeries Lafayette in der Friedrichstraße fehlte jedem das Seine: der Hautevolee das Flair, den Autonomen die Bonzen und dem Volk das Geld  ■ Aus Berlin Uwe Rada

Markus Leicht ist aus dem Wedding gekommen und „will sehen, ob der Osten mit dem Ku'damm mithalten kann“. Eine Weile steht er jetzt schon Schlange, preußisch diszipliniert, und tritt von einem Fuß auf den anderen. Schließlich ist es immer noch kalt. Der rote Teppich liegt noch von der Gala da, 2.000 geladene Gäste haben schon am Abend zuvor Eröffnung feiern dürfen.

Jetzt, Punkt halb zehn, stürmt der Rentner Markus Leicht den französischen Modetempel, mit ihm Hunderte andere Neugierige: Die Galeries Lafayette sind eröffnet. Mit Schlagzeilen wie „Vive le Chic“ oder „Das Flair von Paris“ haben die Hauptstadtblätter die Berliner wochenlang auf das Ereignis vorbereitet und die Friedrichstraße zur Konkurrentin des Kurfürstendamms erklärt.

Eine Viertelstunde später ist das Modehaus voll. Beinahe ehrfürchtig schiebt sich die Menge durch „Lafayette Gourmet“, die Schlemmeretage im Untergeschoß, und die Weinabteilung mit den vergoldeten Einkaufswagen. „Wirklich besser als im KaDeWe“, raunt einer. Die Mode für die „femme tonic“ und die „femme chic“ im ersten und zweiten Obergeschoß wird weniger beachtet.

Es sind vor allem Schaulustige, die in die Friedrichstraße gepilgert sind. Eine Frau aus Weißensee ist „einfach nur neugierig“. Kaufen will sie nichts, nur schauen. Ein älterer Herr aus Reinickendorf hat dagegen ein konkretes Anliegen. Er sucht nach französischen Überraschungseiern. „In Frankreich sind da andere Sachen drin als in Deutschland“, hat er recherchiert, „deshalb bin ich hier.“ Besonders an den wenigen Grabbeltischen herrscht ein Gedränge wie bei Woolworth zum Winterschlußverkauf.

Das zurückhaltend präsentierte Angebot ist nicht jedermanns Sache. Zwei Männer unterhalten sich über die Wünsche ihrer Frauen. „Ob die Qualität stimmt“, sagt einer, „das sieht man doch erst in fünf oder sechs Jahren.“ Diejenigen, auf die die Galeries Lafayette als Kunden setzen, sind ohnehin nicht zur Eröffnung gekommen. Sie haben das Modehaus schon auf der Gala einen Abend vor der Eröffnung bewundern dürfen.

Der Berliner Senat mußte die französischen Pioniere der neuen Friedrichstraße geradezu drängen, diese Gala zu veranstalten. Gründe zum Feiern gibt es sonst wenig in einer Stadt, die als Unternehmen längst den Gang zum Konkursrichter antreten müßte. 2.000 Gäste waren der Einladung gefolgt, darunter reichlich unvermeidliche Prominenz aus der Wirtschaft und dem Westberliner Jet- set.

Die High-Society machte artspezifisch auf mondän und blieb doch, wie so oft, ganz berlinerisch. Der Wein wurde in herbeigeschafften Gläsern aus dem Palast der Republik ausgeschenkt. Und die Gäste bestätigten einmal mehr das Vorurteil, demzufolge auch ein reicher Berliner sich nicht besser benimmt als der Rest der Stadt. „Ist der Fahrstuhl schon voll?“ fragte ein Endvierziger und hielt sein Bein vor die Lichtschranke. Eine Dame hauchte: „Nein! Einer geht noch rein.“ Und die Fahrstuhlbesatzung grölte, die Frauen am lautesten.

Lange hatten sie warten müssen, die oberen Zehntausend oder die, die sich dafür halten, auf diesen von den Franzosen veranstalteten Abend mit einem Hauch von Glanz und Glamour. Nun zeigten sie sich in ausgefallenen Kostümen oder was sie dafür halten: hier in giftgrünen Blazern dort schick mit Pomade im Haar.

Keiner durfte fehlen, an diesem Abend, schon gar nicht der Regierende Bürgermeister. Eberhard Diepgen entdeckte denn auch eine „französische Botschaft voller weltlicher Freuden“. Mit dem Kaufhaus des Ostens möge die Friedrichstraße wieder werden, was sie einmal war: die Lebensader der Berliner Mitte, ein Berliner Pendant zur Fifth Avenue in New York mit hochwertigen Geschäften, Luxushotels und richtigem Nachtleben.

Was der Regierende Bürgermeister aber verschwieg: Erst vor kurzem mußte die New Yorker Dependance der Galeries Lafayette schließen. Und das US-Modehaus Maceys hat den ursprünglich geplanten Sprung nach Berlin wieder abgeblasen. Nicht überall wird den Worten vom Aufschwung Berlins Glauben geschenkt. Die Zeit der Metropolen- Träume ist nicht nur bei den Büroflächen zu Ende, sondern auch beim Einzelhandel. Sieben Prozent Umsatzeinbußen mußten die Berliner Geschäftsleute im vergangenen Jahr hinnehmen. Längst ist der Markt übersättigt. Bis zum Jahr 2000 rechnen Experten mit einem Überschuß an Ladenflächen von 600.000 Quadratmetern.

Da kam eine Gala zum Beweis des Gegenteils gerade recht.

Daß die langersehnte Festivität überhaupt stattfinden konnte, war der Gutmütigkeit des TÜV und der Bauaufsicht zu verdanken. Noch am Mittwoch morgen stand die Schlußabnahme des Prunkbaus auf der Kippe, weil die Sprinkleranlage beim letzten Test trocken blieb wie der Berliner Humor – oder was die Berliner dafür halten.

Auf der Friedrichstraße standen, während drinnen die Gala stieg, noch einige Bauarbeiter. Sie waren skeptisch. Sie haben etwas geschaffen, und nun gehört es den andern. Einer fragte sich, „ob die das hier wirklich schaffen“.

Auch Claude Fabre, der Berliner Geschäftsführer der Galeries Lafayette, kann diese Frage nicht beantworten. Im Gegensatz zum Regierenden Bürgermeister oder dem Architekten Jean Nouvel, der die „Poesie des Kommerzes“ beschwört, weckt Fabre keine Erwartungen. Teure Kollektionen wie die von Christian Lacroix hat er ohnehin in Paris gelassen, ein Umsatzziel, behauptet er kühn, habe er sich fürs erste Jahr nicht gesteckt. Die ehemalige Flanier- und Amüsiermeile der 20er Jahre ist heute ein unsicheres Pflaster. Nicht „exklusiv“, sondern „gehoben“ ist deshalb Fabres Devise.

Autonome oder Punks, die sich wochenlang lautstark angekündigt hatten, sieht man am Eröffnungstag kaum. Wochenlang hatten anonyme Flugblätter mit einem Aufruf zu „Chaostagen“ für Unruhe gesorgt. Doch die befürchteten Krawalle blieben aus. Am Abend vor der Eröffnung sperrte die Polizei die Friedrichstadt gar weiträumig ab. Nur wer in einem der verlorenen Wohnblöcke wohnt oder eine Einladung für die Gala vorweisen konnte, durfte weitergehen. Der U-Bahnhof Französische Straße war geschlossen, ebenso das deutsch-sowjetische Kulturzentrum. Gespenstisch wie gestellt wirkte die Szenerie, als um 19.30 Uhr der Strom ausfiel. Die Friedrichstraße lag im Dunkeln, die Gala ging weiter. Im Glaspalast der Galeries Lafayette sprang das Notstromaggregat an.

Während der Eröffnung am Donnerstag bleibt die Polizei sichtbar, Einlaßkontrollen gibt es aber nicht. Galeries-Geschäftsführer Fabre vertraut auf „zivil“ und behält recht, zu Zwischenfällen kommt es nicht. Die in der autonomen Szene verhaßten Bonzen sind nicht da.

Wer in der Friedrichstraße nach Luxus sucht, wird ohnehin enttäuscht. Rechts und links neben den Galeries Lafayette eröffnen zeitgleich zwei Filialen der Textilkette Hennes & Mauritz. Die Neugierigen lassen die Modediscounter zunächst links liegen. Sie sind nicht zum Kaufen gekommen, sie wollen die Galeries Lafayette bewundern. Wenn sie zum Kaufen kommen, werden viele von ihnen zu Hennes & Mauritz gehen. Oder gleich zu Hause bleiben. Die Portemonnaies der Berliner sind ebenso leer wie die Läden in der Friedrichstraße oder die Geschäfte in den unterirdischen Friedrichstadt-Passagen.

Was der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen so gern als Neubelebung der früheren Lebensader des alten Berlin sähe, ist noch immer wie tot und womöglich nie zum Leben zu erwecken. Zu groß sind die Baumassen, zu langweilig ist die gebotene Mischung. Auch das Restaurant Planet Hollywood, ein Gemeinschaftsunternehmen von Sylvester Stallone, Bruce Willis und Arnold Schwarzenegger, das demnächst im Quartier 206 eröffnen wird, wird das Versprechen der gehobenen, luxuriösen Falniermeile nicht halten. Einer der Bauarbeiter meint: „Hier fehlt im Gegensatz zum Kurfürstendamm eben das Hinterland mit Kneipen und kleinen Geschäften.“

Daß es sich vor leeren Geschäften und durch tote Straßen nicht besonders flaniert, weiß auch Lafayette-Geschäftsführer Claude Fabre. Er fordert, daß wenigstens die Ladenschlußzeiten geändert werden. „Einkaufen in Deutschland“, sagt er, „ist wegen der Hektik kein Vergnügen.“ Fabre wünscht sich, daß sich die Kunden treiben lassen, nicht finden, was sie suchen, sondern kaufen, was sie finden. Doch auch Fabre weiß, daß man in der Friedrichstraße noch lange suchen muß, bis man etwas findet, was man denn kaufen soll. Mehrfach haben die Galeries Lafayette ihren Start verschoben. Man kann in der Wüste zwar rufen, aber keine Geschäfte machen.

Manuela Wendt aus Neukölln ist mit der Eröffnung der Galeries zufrieden. Sie hat gesehen, was sie sehen wollte. Den 32 Meter hohen Glaskegel, um den die 8.000 Quadratmeter Verkaufsfläche herumgelagert sind, findet sie „beeindruckend“. Und sie hat einen Hauch von Schnäppchen gemacht: vier Keramiktassen zum Sonderpreis von drei Mark fuffzich.

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