: Sicher auf dem Papier
■ Fauler Kompromiß zu Ost- und Nordseefähren ausgehandelt
Stockholm (taz) – Ost- und Nordsee-Autofähren werden sicherer – allerdings erst ab dem Jahr 2002. Nach monatelangen Verhandlungen einigten sich in Stockholm 18 europäische Länder auf neue Sicherheitsvorschriften und bauliche Verbesserungen für die in den letzten Jahren durch mehrere Unglücke ins Gerede gekommenen Schiffe. Fähren mit durchgängigem Autodeck müssen mit wasserdichten Schotts ausgerüstet werden. Sie sollen bei einem Wassereintritt die Stabilität erhöhen und ein schnelles Kentern zumindest verzögern.
Die ursprüngliche Absicht der Bundesrepublik, Großbritanniens und der skandinavischen Länder, Konstruktionen vorzuschreiben, die auch einen Wassereintritt bis zu 50 Zentimetern unbeschadet überstehen können – ein nach den Erfahrungen mit den Fährkatastrophen von „Herald of Free Enterprise“, „Jan Heweliusz“ und „Estonia“ realistisches Unglücksszenario – ließ sich nicht durchsetzen. Die osteuropäischen Länder, Frankreich, Italien und Griechenland drohten damit, eine Regelung mit derart kostspieligen Folgen für die Reeedereiwirtschaft zu blockieren.
Der jetzt gefundene Kompromiß ist für viele Seesicherheitsexperten eine Mogelpackung. Zwar nennt das Papier einen Wassereintritt von 50 Zentimetern Höhe. Zur Berechnungsgrundlage wird aber ein Schiff genommen, das bereits so viel Schlagseite hat, wie es schon nach den jetzigen UN-Seesicherheitsvorschriften („Solas 90“) ohne Kentergefahr verkraften soll. Der neue „Sicherheitszuschlag“ beläuft sich daher auf nur etwa 30 Zentimeter Wassereintritt.
Der schwedische Seesicherheitsdirektor und Vorsitzende der Stockholmer Konferenz, Johan Franson, hält das Abkommen, das nur für Nord- und Ostsee gilt, dennoch für besser als einen Alleingang mit strengeren Vorschriften: Die Einigung auf eine internationale Regelung bedeute, daß alle Anrainerstaaten der Ost- und Nordsee Schiffen, die den neuen Kriterien nicht genügen, den Fährbetrieb untersagen können. Ausdrücklich verweigert hat sich nur Rußland. Aber nach dem Konkurs der Ostseefährreederei in St. Petersburg verkehren zumindest derzeit sowieso keine russischen Fähren mehr.
Für Neubauten, die ab 1996 vom Stapel laufen, gelten die verschärften Bestimmungen sofort. Altfähren haben bis 2002 Schonfrist. Wer sicher reisen will, kann mit Fähren unter norwegischer Flagge fahren. Das Land hat seine Reedereien verpflichtet, die neuen Vorschriften schon ab dem 1. Mai zu beachten. Reinhard Wolff
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