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Romantischer Angeber alter Schule

■ Im KITO blies Trompeten-Musterschüler Nicholas Payton: virtuos und selbstverliebt

Erstaunlich, wie konservativ gerade junge amerikanische Jazzmusiker heute spielen. Wer hätte gedacht, daß ausgerechnet im Rahmen eines Konzertprojektes mit dem programmatischen Titel „Rising stars“ von vier sehr jungen schwarzen Musikern ein Jazz gespielt wird, der fast genauso vor vierzig oder fünfzig Jahren in New Orleans angesagt war. Der Trompeter Nicholas Payton und seine Band interpretierten in erster Linie bekannte Standards und Balladen aus den 40er und 50er Jahren, und Paytons eigene Kompositionen fügten sich lückenlos ein, weil sie diesen Klassikern geschickt nachempfunden waren. Das modernste Stück war noch Paytons Hommage an Herbie Hancocks „Herbies Hands“, die die schwebend-tänzerische Stimmung von dessen Songs sehr schön einfing. Aber diesen Stil entwickelte Hancock in den frühen 60ern – lange vor der Geburt Paytons.

Der aus einer Musikerfamilie aus New Orleans stammende Nicholas Payton spielte schon mit neun Jahren öffentlich neben seinem Vater und wurde später von Wynton Marsalis entdeckt und gefördert. Kein Wunder, daß Payton mit seiner Musik genau Marsalis' Dogma von der „klassischen schwarzen Musik“ folgt, die möglichst pur und virtuos so gespielt werden sollte, wie es die alten Meister taten.

Es hat schon seinen eigenen Reiz, diesen lupenreinen Jazz aus einer vermeintlich goldenen Ära von jungen, ehrgeizigen Musikern neu serviert zu bekommen. Manchmal klang es ein wenig steril und brav, aber nie leblos – dazu spielte Payton mit zuviel Temperament. Mit einem schönen, warmen Ton blies er auf seiner Trompete zum Teil atemberaubend schnelle und intensive Soli, die ihn tatsächlich als „aufgehenden Star“ auswiesen. Manchmal vielleicht ein wenig zu verliebt in die eigene Virtuosität, manchmal auch zu angeberisch spielte er dann doch immer wieder so packend, daß die schon oft gehörten Standards in einigen Momenten so jung und zeitgenössisch wirkten wie die vier jungen Musiker, die sie interpretierten.

Paytons Begleitmusiker hatten es manchmal schwer, sich auf dessen hohem technischen Niveau zu behaupten. Mit Ausnahme des Drummers Adonis Rose spielten auch andere Musiker als angekündigt. Das erklärt, warum etwa der Bassist Eric Rewis eines der gespielten Stücke offensichtlich gar nicht kannte, so daß Payton sich hinter ihn stellte und ihm die einzelnen Tonfolgen ins Ohr soufflierte. Pianist Anthony Yuansi paßte dagegen mit seinem sehr präzisen und in den Balladen hochromantischen Spiel ideal zu Paytons Trompete. Diese Musik tat keinem weh, und Payton bekam im gut gefüllten Kito viel freundlichen Applaus. Aber wirklich aufregend und jung klang dieser Jungstar nun wirklich nicht. Dazu wirkte er zu sehr wie ein Musterschüler, der sich bemüht, alles richtig zu machen und deswegen immer auch ein wenig langweilig ist. Willy Taub

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