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Weg mit dem Bretterkisten-Image

Bei Ökomöbeln wird Design immer wichtiger: Das politisch korrekte Möbel soll auch schön sein. Und damit garantiert alles öko ist, wollen die Fachgeschäfte ein Öko-Prüfsiegel einführen  ■ Von Ole Schulz

Wer möchte sich heute noch in der eigenen Wohnung von gesundheitsschädigenden Lacken, lösungsmittelhaltigen Klebstoffen oder krebserzeugendem Formaldehyd vergiften lassen? Ohne Frage: Der Trend geht zu umweltfreundlichen und langlebigen Massivholzmöbeln. Wenn vor der Haustür schon alles verschmutzt ist, dann wenigstens keine Chemie in den eigenen vier Wänden. Denn allerlei Schadstoffe lauern auch in Möbeln, Tapeten oder Bodenbelägen. Anfangs kaum spürbar, können sie den Körper langfristig stark belasten.

Viele Verbraucher sind verunsichert durch Skandalberichte über Umweltgifte, die in Ökomöbeln gefunden wurden. „Stern TV“ beispielsweise, berichtete vergangenes Jahr über ein Mädchen, das auf einer Kokosmatratze schlief und schließlich von Hustenanfällen und Brechreiz geplagt wurde. Schuld daran sollen die mit Pilzschutzmitteln behandelte Kokosfasern gewesen sein. Ein wenig beruhigendes Ergebnis – sollte sich „Stern TV“ in dem Beitrag nicht wieder von einem Fake getäuscht lassen haben. Nach der Sendung wollte auf einmal keiner mehr Kokosmatratzen haben, obwohl sie zuvor für Kinder gerade empfohlen worden waren.

Einige Ökomöbelhersteller waren empört: Sie versicherten, nur unbehandelte Materialien als Matratzenfüllstoffe zu verwenden. Die Naturmatratzenfirma „Dormiente“ zum Beispiel überprüft die Rohmaterialien auf 220 Umweltgifte. Ihre Latexmatratze „Softline“, erhielt gemeinsam mit drei anderen Latexmatratzen von der Fachzeitschrift Öko-Test dann auch das Prädikat „empfehlenswert“. Die anderen elf Testmatratzen fielen durch. Sie enthielten krebserregende Stoffe. Ob die gemessene Belastung allerdings gesundheitsschädigend ist, darüber streiten sich die Experten.

„Mit dem Begriff Öko wird auch viel Schindluder getrieben“, sagt Elsa Thaeter, Eigentümerin des Berliner Möbelgeschäfts „Wohnbiotop“. Im vergangenen Jahr haben sich deshalb bundesweit über 60 engagierte Händler zum „Bundesverband ökologischer Einrichtungshäuser“ zusammengeschlossen. „Unser Ziel ist es, einen Öko-Prägesiegel für unsere Möbel einzuführen“, sagt Elsa Thaeter. Für das angestrebte Prädikat dürfen, soweit das möglich ist, nur nachwachsende Rohstoffe verwendet werden. Heimische statt tropische Hölzer, Massivholz statt Spanplatten, Naturlatex statt Schaumstoffe. Auf lösungsmittelhaltige Leime wird verzichtet; die Oberflächen werden mit biologischen Ölen und Wachsen behandelt; die Verarbeitung muß solide sein, damit die Möbel lange halten.

Massivholzmöbel sind nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch sinnlich: „Sie riechen gut, man kann sie anfassen und streicheln, das Holz lebt und wird mit der Zeit dunkler“, sagt Elsa Thaeter. Ökomöbel werden meist von kleinen Tischlereien aufwendig hergestellt. Schon deshalb sind sie nicht billig. Dafür halten sie allerdings lange, so lange sogar, bis der verarbeitete Rohstoff wieder nachgewachsen ist, versprechen die Firmen. Insofern seien die Preise angemessen, sagt Gabi Schuhmacher, die mit ihrem Mann den Ökomöbelladen „Wohnopposition“ betreibt. „Außerdem vergrößern unsere Möbel nicht den Müllberg. Die billigen Spanplatten dagegen müssen als Sondermüll entsorgt werden“, sagt sie. Viele Kunden kommen aus dem Kiez, obwohl sie keineswegs wohlhabend sind. „Das sind Leute, die sich zunächst nur ein Möbelstück kaufen. Sie kommen dann immer wieder. Wer einmal angefangen hat, kann kaum damit aufhören. Massive Holzmöbel haben schließlich eine ganz eigene Ästhetik.“

Unterschiede zwischen den Ökomöbelgeschäften liegen weniger in der Naturphilosophie als vielmehr im Design. „Längst sind ästhetische Fragen in die Ökodebatte reingekommen“, so Klaus Gennrich von „Trollhus“, dem größten Ökomöbelgeschäft der Stadt. Längst seien die Möbel nicht mehr so klobig wie früher, längst hätten sie sich vom „Bretter-Kisten-Image“ von Ikea weit entfernt. Dafür sind sie auch manchmal fast so teuer wie italienische Designermöbel.

Während „Trollhus“ vor allem traditionellere Landhaus- und anthroposophisch inspirierte Möbel anbietet, ist die „Wohnopposition“ auf moderner gestylte Möbel aus harten Hölzern wie Erle, Buche und Esche spezialisiert. Aus ihnen lassen sich im Gegensatz zu den weicheren Nadelhölzern zum Beispiel auch hölzerne Steckverbindungen und Fräsungen zimmern. „Wohnbiotop“ setzt dagegen auf Exklusivität: Jedes Möbelstück wird für den Kunden angefertigt – dafür muß der allerdings zirka zwei Monate warten. Inzwischen sind auch die großen Möbelhäuser wie Möbel Hübner auf den Öko-Zug aufgesprungen und bieten ökologische Massivholzmöbel an.

Auch bei mir hat der Anblick all der natürlichen Holzmöbel Spuren hinterlassen – seit einigen Nächten quält mich immer derselbe Alptraum: Formaldehydschwaden steigen aus dem Sperrholzregal gleich neben meinem Bett auf und machen mir allmählich den Garaus. Jetzt gibt es nur noch ein Ziel für mich: Genügend Geld zu verdienen, um auf natürliche Massivholzmöbel umsteigen zu können.

– „Trollhus“, Hohenzollerndamm 6, 10717 Berlin.

– „Wohnbiotop“, Bülowstraße 90, 10783 Berlin.

– „Wohnopposition“, Gotzkowskystraße 31, 10505 Berlin.

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