: Die „Berliner Linke“ am Ende
■ PDS-nahe Wochenzeitung vor dem Aus. Chefredakteur Hofmann kritisiert mangelnde Offenheit der PDS
„Wir brauchen ein modernes Management“, darin waren sich die Genossen einig, die sich kürzlich in der PDS-Parteizentrale versammelten, um „die Linke“ zu retten. Kaum einer von ihnen allerdings machte den Eindruck, als könne er sich unter diesem kapitalistischen Wundermittel so richtig etwas vorstellen. So sitzt denn auch Ruth Kampa etwas ratlos da, die seit gut drei Wochen Geschäftsführerin des NDZ-Verlages ist und mit der Sanierung der dort erscheinenden Wochenzeitung Berliner Linke beauftragt. Die Kosten steigen ständig, fast 200.000 Mark betrug das Defizit im vergangenen Jahr. Die beiden verbliebenen Redakteure sind zum 31. März gekündigt. Soll die Zeitung darüber hinaus eine Zukunft haben, müßte die verkaufte Auflage innerhalb kürzester Zeit deutlich erhöht werden, was bei dem bieder-nostalgischen 16seitigen Blättchen nicht so einfach sein dürfte.
1990 wurde die Berliner Linke mit großer finanzieller Unterstützung der Berliner PDS gegründet. 30.000 Exemplare konnten zunächst zu einem Preis von 1 Mark an den Genossen und die Genossin gebracht werde. Die Auflage sank schnell, der Preis stieg auf 1,50 Mark. Gleichzeitig wurde die Zahl der Redakteure von 7 auf 2 reduziert. Außerhalb der langsam aussterbenden überalterten PDS-Basis konnte die Zeitung keine Leser gewinnen.
Ökonomisch ist das Blatt auf Umwegen mit der PDS verbunden. Dennoch wollte Chefredakteur Peter Hofmann eine unabhängige linke Wochenzeitung machen. Doch kaum war mal ein SPD-Politiker ausführlich zu Wort gekommen, beklagte sich die PDS-Landesvorsitzende Petra Pau über die Wahlkampfhilfe für die politische Konkurrenz. Als die Zeitung im Frühsommer zu Beginn des Wahlkampfes kritisch mit der Öffentlichkeitsarbeit der PDS ins Gericht ging, habe die Partei die Wahlkampfanzeigen storniert, heißt es in der Redaktion. Stimmt nicht, kontert der Sprecher des Landesverbandes, Axel Hildebrandt, allein der überzogene Wahlkampfetat war dafür ausschlaggebend. Doch auch mit der redaktionellen Unabhängigkeit war es nicht so weit her. Gegen den Willen der Redaktion brachte Herausgeber Frank Schumann, der gelegentlich für den PDS-Vorsitzenden Lothar Bisky Reden schreibt, schon mal Artikel in sein Blatt. Selbst Leserbriefe seien vom Herausgeber fingiert worden, um die richtige Meinung im Blatt zu plazieren.
Einige Leser allerdings scheinen wild entschlossen, das Blatt zu retten. Sie meldeten sich zum Straßenverkauf, andere wollen für ihr Abo zukünftig 10 Mark mehr zahlen im Monat. Auch die PDS-Abgeordnetenhausfraktion will die Zeitung finanziell unterstützen – sobald ein tragfähiges Überlebenskonzept vorliegt und auch die journalistische Qualität der Zeitung verbessert wird.
Der PDS-Landesvorstand schlägt vor, einen Zeitungsbeirat einzurichten. Die Berliner Linke solle doch nur wieder enger an die Partei gebunden werden, befürchtet Peter Hofmann, denn „mit zunehmender Etablierung hat sich die Partei schrittweise von dem Anspruch gelöst, eine gläserne, offene Partei zu sein“. Christoph Seils
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