: Die neue Bonner Renten-Verunsicherung
■ Ministerium überlegt, ob die Aussiedlerrenten gestrichen werden können
Berlin (taz) – Die Debatte um die Spätaussiedler verschärft sich. Künftig sollen sie ab einem bestimmten Stichtag keinen Anspruch mehr auf Rente haben, meldete die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Entsprechende Pläne würden im Bundesarbeitsministerium diskutiert.
Weitere Sparpläne betreffen alle Rentenempfänger: Danach sollen bis zu sieben Jahre Ausbildung nicht mehr als Beitragszeit angerechnet werden. Ferner sollen demnächst keine Erwerbsunfähigkeitsrenten mehr gezahlt werden, wenn der Betroffene zwar „berufsunfähig“, aber nicht „erwerbsunfähig“ ist. Wer seinen Beruf nicht mehr ausüben, aber dennoch eine andere Tätigkeit übernehmen kann, gilt demnach nicht mehr als „erwerbsunfähig“.
Die Pläne des Bundesarbeitsministeriums sind noch nicht öffentlich. Jedoch wollte ein Pressesprecher sie gestern auf Anfrage auch nicht dementieren. „Wir überlegen alles, damit die Beiträge zur Rente im nächsten Jahr nicht um 0,6 Prozentpunkte ansteigen“, sagte er. Arbeitsminister Blüm erwarte für das kommende Jahr eine Unterdeckung von 9,9 Milliarden Mark. In seiner Regierungserklärung vor genau einem Monat hatte Blüm versprochen, er werde alles tun, um die Rente „in Schach und Proportionen zu halten“. Der Sprecher verwies darauf, daß 1993 für Aussiedlerrenten neun Milliarden Mark aus der Rentenkasse gezahlt wurden.
Die Vorschläge laufen darauf hinaus, das sogenannte Fremdrentengesetz aufzuheben. Von dieser Idee zeigte sich auch der Sozialexperte der SPD, Rudolph Dreßler, angetan. Gegenüber der taz gab er zu bedenken, daß das „eigentliche Problem noch nicht gelöst sei“, wenn die Renten für Aussiedler fortan nicht mehr aus der Versichertenkasse gezahlt würden. Er forderte, der Bund solle die Versorgung der Aussiedler aus seinem Etat bestreiten und auch nicht auf die Kommunen abwälzen.
Daß durch Blüms Pläne die geforderten zehn Milliarden wirklich eingespart werden können, bezweifelt der Verband deutscher Rentenversicherungsträger (VDR). VDR-Sprecher Günter Albrecht wies darauf hin, daß nur diejenigen Aussiedler davon betroffen sein könnten, die noch nicht hier seien. Zudem würden in dem derzeitigen Rentenetat von etwa neun Milliarden Mark auch die Übersiedler aus der ehemaligen DDR einbezogen. Es ließe sich statistisch nicht aufsplitten, wieviel Geld an sie gehe und wieviel an die „echten Spätaussiedler“. Neue Zuzugszahlen veröffentlichte der Aussiedlerbeauftragte Waffenschmidt (CDU). Im Februar kamen 11.722, knapp 1.000 weniger als im Februar 1995, zudem wurden 3.000 Aufnahmeanträge weniger gestellt. Annette Rogalla
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