■ Störzeile
: Petzes Hochzeit

Es gäbe Dinge im Bereich der Kulturpolitik, über die drängt ein Streit. Zum Beispiel, ob man sich in der finanziellen Klimakatastrophe noch paradiesische Zustände bei den Philharmonikern leisten kann. Oder ob es nicht Zeit wäre für eine gemeinsame Anti-Spar-Initiative aller Kulturinstitutionen. Stattdessen versuchten Hamburgs Parlamentarier und Kulturjournalisten letzte Woche mit Macht, Kulturfrauen in Spitzenjobs der Unzurechnungsfähigkeit zu überführen.

Kunstinsel, HfbK, Bücherhallen oder Neubesetzung der Opern-Geschäftsführung, ob im Parlament oder im Feuilleton, stets wird den Damen Weiss, Dankert und Goehler von meist männlicher Aufgeregtheit Täuschung und Inkompetenz unterstellt. Dabei greift man sogar schamlos auf Denunzianten-Briefe zurück.

So hat im Fall des desig-nierten Opern-Geschäftsführers Hermann Kohn eine wochenlange Schlammschlacht in den Hamburger Lokalmedien ihren Gipfel jetzt darin gefunden, daß die Mopo einen Verleumdungsbrief auf Universitätspapier des Hamburger Wirtschaftsprofessors Wilhelm Strobel ohne Quellenangabe gegen Kohn ins Feld führt. Darin denunziert Strobel Kohn als Kommunisten, weil dieser in den 70ern einer linken Studentengruppe angehört hat und dabei auch Strobels Vorlesungen gestört habe.

Weiterhin hat der Denunziant den acht Jahre alten Konkurs von Kohns erster, kleiner Computerfirma ausgegraben, um diesen als untauglich darzustellen. In der Mopo tut man jetzt so, als wäre der Konkurs 1995 gewesen, und bläht die Geschichte auf, als hätte es Einsteins Schul-5 in Physik nie gegeben.

Doch auch weniger McCarthyeske Verleumdungsschreiben werden inzwischen verlautbarungsfähig gemacht. Ein studentischer Goehler-Anwurf etwa, der, als er direkt in die Redaktionen kam, nirgends Interesse wecken wollte, ist über den profilierungssüchtigen CDU-Menschen Karpen doch noch in den Blättern gelandet. Und auch im Fall der Kunstinsel wird, wie schon oft bemerkt, in Hamburgs Presse lieber politische Inkompetenz zitiert als selbst recherchiert. Ein Karl Kraus hätte seinen Genuß an soviel trauriger journalistischer Provinzialität. Till Briegleb