Sanssouci
: Nachschlag

■ Grotesk: "Weiningers Nacht" im Schloßpark-Theater

Sein Name würde noch nach tausend Jahren in aller Munde sein, glaubte er. Aber schon heute ist Otto Weininger fast nur noch als psychopathologischer Fall interessant. Weininger, ein Wiener Jude, ist das Paradebeispiel für den sogenannten „jüdischen Selbsthaß“. In seinem Hauptwerk, „Geschlecht und Charakter“, verdammte Weininger Frauen und Juden als minderwertige Geschöpfe: Der „Abgrund Judentum“ müsse jede edle Regung verschlingen. Weininger zog die Konsequenz und erschoß sich 1903, mit 23 Jahren.

Foto: Thomas Seufert

Mit „Weiningers Nacht“ wurde der israelische Dramatiker Joshua Sobol in Deutschland bekannt. Für seinen Selbstmord hat Weininger ein Zimmer in Beethovens Sterbehaus gemietet. In lockerer Bildfolge zieht sein verkorkstes Leben an ihm vorbei: die Liebe zur koketten jungen Zionistin Clara, die erdrückende Fürsorge der Mutter, das krankhafte Streben nach Anerkennung. Sobol liegt nichts daran, Weiningers Charakter psychologisierend aufzudröseln; er verpackt mögliche Erklärungen in groteske Bilder. Weiningers gespaltene Persönlichkeit spiegelt sich im Auftauchen eines Doppelgängers – einer Frau, die seinen Selbsthaß aufstachelt. Weiningers Mutter behandelt den über Zwanzigjährigen wie einen Säugling, steckt ihn in die Badewanne und entblößt sich vor ihm: „Falls du in Versuchung kommst, dann bitte nicht unter diesem Niveau!“

„Weiningers Nacht“ sei die erste Inszenierung im Schloßpark- Theater, über die er sich als Intendant so richtig freuen könne, sagte Heribert Sasse nach der Premiere, und vielleicht ist mit dieser Inszenierung tatsächlich die glücklose Anfangsphase des neuen Schloßpark-Theaters überwunden. Der Österreicher Michael Schottenberg, bisher vor allem als Film- und Fernsehregisseur bekannt, hat die düster-grelle Komik Sobols kongenial umgesetzt und sich auch die dankbarste Rolle gesichert: den liberalen Lehrer Tietz, der Weininger als dessen Idol August Strindberg erscheint und sich urplötzlich in einen hämisch krächzenden Kritiker verwandelt. Solche Szenen sind hart am Rand des Klamauks, die von der Regie hinzugefügten Gags unnötig. Dafür hält Marcello de Nardo als Weininger die schwierige Balance zwischen Lächerlichkeit und Tragik, impotentem Größenwahn und echter Qual. Sein Scheitern dauert über den Tod hinaus an: Wie zum Hohn singt die Mutter dem toten Sohn das jiddische Wiegenlied, das er gehaßt hat wie sich selbst. Miriam Hoffmeyer

Nächste Vorstellungen: 4.–5., 7.–11. und 13.–20. 3., 20 Uhr, sonntags 17 Uhr, Schloßpark-Theater, Schloßstraße 48, Steglitz