: SPD-Mann Duve war offenbar im Visier der AIZ
■ Gegen die mutmaßlichen AIZ-Mitglieder ermittelten die Behörden seit Jahren
Berlin (taz) – Die „Antiimperialistische Zelle“ (AIZ) plante möglicherweise einen Anschlag auf den SPD-Bundestagsabgeordneten Freimut Duve. Wie der Sprecher der Bundesanwaltschaft, Rolf Hannich, bestätigte, wurden in der Wohnung des verhafteten Bernhard F. entsprechende Unterlagen über den SPD-Poliker gefunden. Mögliche Motive für die AIZ: Duves Befürwortung des Bundeswehreinsatzes in Bosnien und seine Kritk an fundamentalistischen Befreiungsbewegungen.
Die verhafteten beiden mutmaßlichen AIZ-Mitglieder sind nicht erst seit letztem Jahr im Visier der Ermittler. Als die AIZ mit einem Brandanschlag auf die juristische Fakultät der Universität Hamburg am 21. November 1992 erstmals auftritt, wird gegen die beiden Studenten, die sich aus Schulzeiten kennen, gerade durch das BKA ermittelt. Vorwurf: Anschläge auf fünf Shell-Tankstellen in Aachen und Hamburg. Parallel werden deshalb am 14. Januar 1991 die Zimmer von Michael S. in Rellingen und von Bernhard F. in Aachen durchsucht. F.s Zimmer in einem Studentenwohnheim wird in seiner Abwesenheit auf den Kopf gestellt, einen Tag später die Wohnung seiner Eltern in Mönchengladbach. Die Staatsschützer nehmen Fotos und Fingerabdrücke von beiden.
Am 24. November 1991 stört F. eine Totensonntagsfeier von Soldatenverbänden, Burschenschaften und der rechtsextremen „HIAG“ mit einer Preßluftfanfare. „Verunglimpfung des Staates“ heißt jetzt der Vorwurf. Schließlich wird Bernhard F. am 17. März 1992 festgenommen. Diesmal wegen Sachbeschädigung, weil er eine linksradikale Parole gesprüht hatte. Der damals 24jährige fällt auch bei einem RAF-Verfahren auf. Nach einem Prozeß gegen das frühere RAF- Mitglied Inge Viett überklettert Bernhard F. im August 1992 ein Absperrgitter, er fordert Vietts Freilassung und wird dafür festgenommen.
Am 9. September 1992, knapp zwei Monate vor dem ersten Anschlag in Hamburg, finden bei S. und F. erneut Hausdurchsuchung statt. Bei S. beschlagnahmen Polizisten Computer, Disketten, Drucker, Flugblätter, eine Sammlung der RAF-nahen Zeitschrift „zusammen kämpfen“ und ein Messer. In Aachen durchsucht die Polizei in Abwesenheit von F. sein Zimmer. Eine Schreibmaschine, eine Diskette, eine Sammlung von Papieren über politische Gefangene in der Bundesrepublik und autonome Postillen werden mitgenommen.
Die beiden bleiben in der Beobachtung der Staatsschützer. Am 1. Mai 1993 wird F. in Berlin bei der „revolutionären 1. Mai-Demonstration“ festgenommen. Am 8.Januar 1994 sucht das BKA bei Bernhard F. zum ersten Mal nach Sprengstoff. Polizisten einer Sondereinheit treten seine Zimmertür ein und werfen ihm eine Decke über den Kopf. Den gesuchten Sprengstoff finden sie nicht. Im März 1994 werden die beiden wegen der Shell-Anschläge zu elf beziehungsweise zwölf Monaten auf Bewährung verurteilt.
Bei den bundesweiten Hausdurchsuchungen am 13. Juni letzten Jahres wegen AIZ, „K.O.M.M.I.T.E.E.“ und der Zeitschrift radikal ist das Duo wiederum unter dem rund einem Dutzend der AIZ-Mitgliedschaft Verdächtigten dabei. Die Behörden hoffen, wie Sicherheitsexperten bestätigen, mit diesem Schlag nahe an den Kern der AIZ herangekommen zu sein.
Nach dem Anschlag auf das Wohnhaus des CDU-Abgeordneten Paul Breuer am 17. 9. 1995 stehen Michael S. und Bernhard F. ganz oben auf der Liste der Verdächtigen. Sie werden jedoch nach einer Vernehmung entlassen.
Mit der Festnahme am vorletzten Sonntag hatte die Bundesanwaltschaft auf Beweismaterial gehofft. Doch die schwere Observationspanne wirft die Ermittlungen zurück. Behördensprecher Hannich setzt zwar neben den Anklagepunkten „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ und den konkreten, aber unbewiesenen Vorwürfen zu den Anschlägen der AIZ nach wie vor auf das Beweismittel Sprengstoff. Hannich: „Hinter den sogenannten anderen Straftaten, wegen der wir noch ermitteln, liegt auch das Anlegen von Sprengstoffdepots mit 3,5 Kilogramm Schwarzpulver.“ Doch ob die Vorwürfe dem nächsten Haftprüfungstermin standhalten, muß sich zeigen. Edith Lunnebach, die Rechtsanwältin von Bernhard F.: „Mal hatten die beiden angeblich Sprengstoff, mal wieder auch nicht, ich finde das sehr undurchschaubar.“ Barbara Junge
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