: Krimineller Nachwuchs schwer im Kommen
■ Jugendkriminalität in Niedersachsen stark angestiegen
Hannover. In Niedersachsen begehen immer mehr Jugendliche schwere Straftaten. Das geht aus der Kriminalitätsstatistik des Landes für 1995 hervor, die Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) am Montag in Hannover vorstellte. Diese Entwicklung kann dem Minister zufolge nicht mit polizeilichen Mitteln allein verändert werden. Glogowski setzt deshalb verstärkt auf Präventionsräte in den Kommunen. Dabei wollen Vereine, Verbände, Politiker und Polizeibeamte gemeinsam Lösungen erarbeiten.
Der Anstieg der Jugendkriminalität geht nach einer Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen (KFN) teilweise auf die Zuwanderung von Aussiedlern zurück. „Die Menschen gehören inzwischen zu einer Randgruppe der Gesellschaft, die zunehmend von Sozialhilfe lebt“, sagte der Leiter des KFN, Christian Pfeiffer. Armut sei bereits bei anderen Gruppen zu einem Kriminalitätsfaktor geworden. Allerdings hat der Studie zufolge auch in Landkreisen mit einem geringen Zuzug an Aussiedlern die Kriminalität unter deutschen Jugendlichen zugenommen.
„Für mich ist das ein Hilfeschrei an die Gesellschaft“, sagte Glogowski. Er forderte den Bund auf, Sprachkurse für Aussiedler statt wie derzeit sechs Monate wieder ein Jahr lang anzubieten und bereits in Rußland Möglichkeiten für das Erlernen der Sprache zu schaffen. „Wenn wir die Menschen aber nicht mehr integrieren können, müssen wir den Zuzug beschränken.“ Derweil demonstrierten rund 40 junge Aussiedler vor dem Innenministerium gegen die „Diffamierung durch Glogowski“.
Die polizeilich registrierte Kriminalität stieg in Niedersachsen zwar 1995 im Vergleich zum Vorjahr nur um knapp zwei Prozent auf 598 573 Taten. Deutlich zugenommen haben allerdings Gewaltdelikte, darunter insbesondere Raub. Ein starkes Wachstum verzeichnen die Statistiker auch bei der Drogenkriminalität vor allem in den Grenzgebieten zu den Niederlanden. Dagegen gab es in Niedersachsen 1995 wie schon im Vorjahr weniger Wohnungseinbrüche.
Die Kriminalität verursachte den Angaben zufolge einen Schaden von rund einer Milliarde Mark. Die seit 1989 sinkende Aufklärungsquote erholte sich 1995 erstmals von 43,5 auf 44,5 Prozent. Seit sechs Jahren verbuchte die Polizei wieder steigende Ermittlungserfolge bei Wohnungseinbrüchen, Autodiebstahl und anderen Formen der schweren Kriminalität. dpa
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