■ Klassenloses Sparen?
: Auch Sparen ist Politik

T. war kürzlich in Südafrika und letztes Jahr in den USA im Urlaub. Zwanzig Mark Nutzungsgebühr für Büchereien – ein Skandal, behauptet T. trotzdem. M., die ihrer Tochter regelmäßig Barbie-Puppen plus Bekleidung schenkt, fühlt sich durch die Kita-Verteuerung nahezu verarmt. T. sympathisiert mit der Ansicht, der gegenwärtig im Geldbeutel etwas klamme Milliardär namens Berlin brauche bloß ein wenig vom Landesvermögen zu verkaufen, um das Problem zu lösen. M. ist wie manche aus der PDS-Ecke der Meinung, Berlin solle doch ungeachtet der verfassungsrechtlich festgeschriebenen Grenzen einfach die Neuverschuldung erhöhen, um das Sparen zu vermeiden. Diagnose: Problemverdrängung und überzogene Anspruchshaltung. Zum strukturellen Sparen auf allen Ebenen und ohne Tabus gibt es keine Alternative, wenn diese Stadt nicht geradewegs in den Konkurs marschieren will. Ebenso falsch aber ist die verbreitete Ansicht, wo allein der Sparzwang regiert, sei das Ende der Politik erreicht. Berlin ist keine klassenlose Gesellschaft geworden, nur weil es heißt, „wir“ müssen sparen. Die ungleiche Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums bleibt bestehen. Nicht alles, was eingespart werden könnte, steht deshalb zur Disposition. Und nicht brutale Sparkommissare sind gefragt, sondern Politiker, die den sozialen Frieden der Stadt und eine gesamtgesellschaftliche Bilanz der Folgekosten von Einsparungen im Auge haben. Wer in den letzten Jahren von der stillen Umverteilung zugunsten der Wohlhabenden und Selbständigen profitiert hat, redet gern davon, daß alle in einem Boot sitzen. Zu fragen, wen welche Sparmaßnahme trifft, ist deshalb keine verstaubte Klassenkampfrhetorik, sondern eine aktuelle Leitfrage durch den anstehenden Sparkatalog. Gerd Nowakowski